Hans Walser, [20170421]

Diagonalenschnittpunkte in regelmŠ§igen Vielecken

1     Worum geht es?

Es wird eine Vermutung Ÿber die Schnittpunkte von Diagonalen in regelmŠ§igen Vielecken ungerader Eckenzahl formuliert.

2     Terminologie

Eine Punkt durch welchen n Geraden verlaufen nennen wir einen Schnittpunkt n-ten Grades.

Die klassischen Schnittpunkte der Dreiecksgeometrie (Hšhenschnittpunkt, Schwerlinienschnittpunkt, Mittelsenkrechtenschnittpunkt, Winkelhalbierendenschnittpunkt) sind Schnittpunkte dritten Grades.

3     Vielecke ungerader Eckenzahl

Wir zeichnen sŠmtliche Diagonalen in Vielecken ungerader Eckenzahl. Die Abbildung 1 zeigt die Situation fŸr die Eckenzahlen 3 bis 13.

Abb. 1: Diagonalen

Im Innern der Vielecke nur Schnittpunkte zweiten Grades.

Im Folgenden weitere Beispiele.

Im regelmŠ§igen 15-Eck (Abb. 2) hat es zwar Diagonalenschnittpunkte zweiten Grades, die sehr nahe beieinander liegen. Aus SymmetriegrŸnden kann aber ausgeschlossen werden, dass sie aufeinander fallen. Wir haben also nur Schnittpunkte zweiten Grades.

Abb. 2: RegelmŠ§iges 15-Eck

Abb. 3a: RegelmŠ§iges 17-Eck

Abb. 3b: RegelmŠ§iges 19-Eck

Im regelmŠ§igen 27-Eck der Abbildung 4 sind einige ãfastÒ-Beispiele von Schnittpunkten hšheren Grades suggeriert. Sie erweisen sich bei nŠherem Hinsehen alle als falsch.

Abb. 4: Falsche Beispiele im 27-Eck

3.1    Vermutung

Im Innern eines Vieleckes mit ungerader Eckenzahl gibt es keinen Punkt der von mehr als zwei Diagonalen getroffen wird. Es gibt nur Diagonalenschnittpunkte zweiten Grades.

4     Gerade Eckenzahlen

Es sei n= 2m  die Eckenzahl.

FŸr allfŠllige Berechnungen setzen wir den Umkreisradius 1.

4.1    Mittelpunkt

Der Mittelpunkt wird von den m Mittelpunktsdiagonalen getroffen. FŸr m ³ 3 haben wir also als Mittelpunkte einen Schnittpunkt m-ten Grades (Abb. 5 fŸr m = 3).

Abb. 5: Mittelpunkt

4.2    Diagonalenschnittpunkte au§erhalb des Mittelpunktes

4.2.1   RegelmŠ§iges Achteck

Im Innern des regelmŠ§igen Achteckes (Abb. 6a) haben wir acht Schnittpunkte dritten Grades. Da eine der drei beteiligten Diagonalen auch Symmetrieachse ist, ist die Schnittpunkteigenschaft trivial.

Abb. 6: Im Achteck

Diese Schnittpunkte haben vom Mittelpunkt den Abstand:

 

                                                                                          (1)

 

Diese LŠngen erscheinen in der Geometrie des DIN-Formates (Walser 2013b). Wir kšnnen ein Rechteck im DIN-Format einpassen (Abb. 6b).

4.2.2   RegelmŠ§iges Zehneck

Im regelmŠ§igen Zehneck gibt es ebenfalls Schnittpunkte dritten Grades (Abb. 7a). Die Schnittpunkteigenschaft ist aus SymmetriegrŸnden klar.

Abb. 7: Im Zehneck

Die zehn Schnittpunkte des inneren Kranzes haben vom Mittelpunkt den Abstand:

 

                                                                                      (2)

 

Dabei bezeichnen wir mit

 

                                                                                                           (3)

 

den so genannten Goldenen Schnitt (Walser 2013a, S. 16).

Die Schnittpunkte des Šu§eren Kranzes haben vom Mittelpunkt den Abstand:

 

                                                                                                         (4)

 

Die Punkte teilen also die Radiusstrecke im VerhŠltnis des Goldenen Schnittes. Wer hŠtte das gedacht! Wir kšnnen also ein Pentagramm einpassen (Abb. 7b).

4.2.3   RegelmŠ§iges Zwšlfeck

Im regelmŠ§igen Zwšlfeck wird es spannend (Abb. 8).

Abb. 8: Im regelmŠ§igen Zwšlfeck

Wir haben insgesamt fŸnf KrŠnze von Schnittpunkten dritten Grades (rot) und einen Kranz von Schnittpunkten vierten Grades (grŸn). Wir besprechen das im Einzelnen.

Der innerste Kranz von roten Punkten hat vom Mittelpunkt einen Abstand:

 

                                                                                               (5)

 

Der zweitinnerste Kranz roter Punkte hat vom Mittelpunkt den Abstand:

 

                                                                                                           (6)

 

Der dritte Kranz roter Punkte hat den Radius:

 

                                                                                 (7)

 

4.2.3.1  Nichttriviale rote Schnittpunkte

Der vierte Kranz roter Punkte hat den Radius:

 

                                                                                                   (8)

 

Die Schnittpunkteigenschaft der roten Punkte des vierten Kranzes ist nicht trivial, da keine Mittelpunktdiagonale beteiligt ist. Um die Schnittpunkteigenschaft einzusehen, betten wir das Zwšlfeck in einen Quadratraster ein (Abb. 9).

Abb. 9: Im Quadratraster

Die an den fetten roten Punkten, welche zum vierten Kranz gehšren, beteiligten Zwšlfeckdiagonalen sind Rasterlinien oder Diagonallinien des Rasters. Damit ist die Schnittpunkteigenschaft nachgewiesen. Zugleich wir klar, warum beim Abstand vom Mittelpunkt die Quadratwurzel aus 2 erscheint.

Wer der Raster-Einbettung nicht traut, kann im gelb markierten Dreieck der Abbildung 10 die Winkel-Version des Satzes von Ceva (Walser 2012, S. 145f) anwenden. Da der FŠcherwinkel (Winkel zwischen aufeinanderfolgenden Diagonalen) im regelmŠ§igen 12-Eck 15¡ betrŠgt, kšnnen die benštigten Winkel leicht abgezŠhlt werden.

Abb. 10: Anwendung des Satzes von Ceva

Zu zeigen ist:

 

                                                                                                 (9)

 

Bearbeitung der linken Seite:

 

                                              (10)

 

 

 

 

Der fŸnfte und Šu§erste Kranz roter Punkte hat den Radius:

 

                                                                                                               (11)

 

Die Werte von (5) und (9) ergŠnzen sich auf 1.

4.2.3.2  GrŸne Schnittpunkte

Der Kranz der Schnittpunkte vierten Grades (grŸn) hat den Radius:

 

                                                                                         (12)

 

Die Schnittpunkteigenschaft der grŸnen Punkte ist nicht trivial. Sie kann durch Einpassen eines Sterns in die Figur eingesehen werden (Abb. 11).

Abb. 11: Einpassen eines Sterns

Wer der Sache mit dem Stern nicht traut, kann wie folgt argumentieren. Die vier am Schnittpunkt beteiligten Diagonalen bilden eine symmetrische Figur. Die Symmetrieachse ist allerdings keine Diagonale, aber eine Symmetrieachse des regelmŠ§igen Zwšlfecks. Aus SymmetriegrŸnden kšnnen wir daher fŸr den Beweis der Schnittpunkteigenschaft eine der vier Diagonalen weglassen (hellgrŸn in Abb. 12). Die verbleibenden drei Diagonalen sind im gelb markierten Dreieck die Winkelhalbierenden.

Abb. 12: Winkelhalbierende

4.2.4   RegelmŠ§iges 14-Eck

Abb. 13: RegelmŠ§iges 14-Eck

Im 14-Eck hat es nur Schnittpunkte dritten Grades. In der Abbildung 13 ist fŸr jeden Kranz ein Beispiel eingezeichnet. Der einzige nichttriviale Schnittpunkt ist derjenige neben der Mittelpunktdiagonale. Der geneigte Leser ist eingeladen, die Schnittpunkteigenschaft nachzuweisn (Tipp: Trigonometrie).

4.2.5   RegelmŠ§iges 16-Eck

Abb. 14: RegelmŠ§iges 16-Eck

Nur Schnittpunkte dritten Grades, davon zwei nichttriviale.

4.2.6   RegelmŠ§iges 18-Eck

Abb. 15: Sternenhimmel

Im regelmŠ§igen 18-Eck sehen wir Schnittpunkte dritten, vierten und fŸnften Grades (Abb. 15 und 16).

Abb. 16: Exemplarische Auswahl von Schnittpunkten

Die nichttrivialen Schnittpunkte dritten Grades sowie sŠmtliche Schnittpunkte vierten und fŸnften Grades sind zu beweisen. Exemplarisch einige Beweise.

4.2.6.1  Ein nichttrivialer roter Schnittpunkt

Abb. 17: Nichttrivialer roter Schnittpunkt

Der nichttriviale rote Schnittpunkt in der Abbildung 17 ist Winkelhalbierendenschnittpunkt im gelb markierten Dreieck.

4.2.6.2  Ein grŸner Schnittpunkt

Abb. 18: GrŸner Schnittpunkt vierten Grades

Due vier am Schnittpunkt vierten Grades (Abb. 18) beteiligten Diagonalen bilden eine symmetrische Figur. Die Symmetrieachse ist keine Diagonale, aber eine Symmetrieachse des 18-Ecks. Aus SymmetriegrŸnden kšnnen wir daher eine der vier Diagonalen weglassen. Wir lassen die waagerechte Diagonale weg (Abb. 19).

FŸr den Beweis der Schnittpunkteigenschft der drei verbleibenden Diagonalen arbeiten wir im gelb markierten Dreieck mit der Winkel-Version des Satzes von Ceva (Walser 2012, S. 145f).

Da im regelmŠ§igen 18-Eck der FŠcherwinkel (Winkel zwischen zwei benachbarten Diagonalen) 10¡ misst, kšnnen wir die benštigten Winkel leicht ablesen.

Abb. 19: Beweisfigur

Zu zeigen ist:

 

                                                                                              (13)

 

Umformung der linken Seite gibt:

 

        (14)

 

Damit ist die Schnittpunkteigenschaft fŸr den grŸnen Schnittpunkt vierten Grades bewiesen.

4.2.6.3  Ein blauer Schnittpunkt

Abb. 20: Ein blauer Schnittpunkt

Die fŸnf an einem blauen Schnittpunkt beteiligten Diagonalen bilden eine symmetrische Figur mit einer Mittelpunktdiagonalen als Symmetrieachse. Aus SymmetriegrŸnden kšnnen wir daher die beiden in der Abbildung 20 hellblau gezeichneten Diagonalen fŸr die †berlegung weglassen.

FŸr die dunkelblau gezeichneten Diagonalen wenden wir wiederum die Winkel-Version des Satzes von Ceva an. Zu zeigen ist:

 

                                                                                               (15)

 

Dies ist identisch mit (13) und wurde in (14) nachgewiesen. Die beiden gelben Dreiecke der Abbildungen 19 und 20 sind aber nicht kongruent oder Šhnlich, da die Teilwinkel ungleich angeordnet sind.

4.2.6.4  Problemlšsen

Das regelmŠ§ige 18-Eck ist ein beliebtes Tummelfeld fŸr Problemlšseaufgaben. Das 18-Eck tritt dabei nicht explizit auf, ist aber der SchlŸssel zur Lšsung. Der vermeintliche Schwierigkeitsgrad liegt darin, dass das regelmŠ§ige 18-Eck nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist und daher einen gewissen Tabucharakter hat. Beispiele dazu.

 

Literatur

Walser, Hans (2012): 99 Schnittpunkte. Beispiele – Bilder – Beweise. 2. Auflage. EAGLE, Edition am Gutenbergplatz: Leipzig. ISBN 978-3-937219-95-0.

Walser, Hans (2013a): Der Goldene Schnitt. 6., bearbeitete und erweiterte Auflage. Mit einem Beitrag von Hans Wu§ing Ÿber populŠrwissenschaftliche Mathematikliteratur aus Leipzig. Edition am Gutenbergplatz, Leipzig. ISBN 978-3-937219-85-1.

Walser, Hans (2013b): DIN A4 in Raum und Zeit. Silbernes Rechteck – Goldenes Trapez – DIN-Quader. Edition am Gutenbergplatz, Leipzig 2013. ISBN 978-3-937219-69-1.

 

Websites

Hans Walser: 18-Eck (23.04.2017):

http://www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/1/18-Eck/18-Eck.htm