Hans Walser, [20160615]

Orthodiagonale Vierecke

Anregung: Heinz Klaus Strick, Leverkusen

1     Worum geht es

Orthodiagonale Vierecke haben orthogonale Diagonalen.

In der Ÿblichen Bezeichnung (Abb. 2) kšnnen orthodiagonale Vierecke charakterisiert werden durch:

 

                                                                                                       (1)

 

Die alternierende Seitenquadratsumme ist null.

Es wird versucht, diesen Sachverhalt auf verschiedene Weisen zu illustrieren.

Dazu wird (1) in der Form:

 

                                                                                                             (2)

 

verwendet (Abb. 1).

Abb. 1: Rot = Blau

2     Rechnerisches Vorgehen

FŸr das rechnerische Vorgehen verwenden wir die Bezeichnungen gemŠ§ Abbildung 2.

Abb. 2: Bezeichnungen

Nach dem Satz von Pythagoras ist:

 

                                                                                                                   (3)

 

 

 

 

 

Alternierende Addition in (3) ergibt (1). Wenn die Diagonalen nicht orthogonal sind, ist entweder rot < blau oder rot > blau. Daher die Charakterisierung.

Diese rechnerische Lšsung kann auch visualisiert werden. Die Abbildung 3 zeigt fŸr das grŸne rechtwinklige Dreieck die †berlagerung der beiden Kathetenquadrate und des Hypotenusenquadrates.

Abb. 3: Visualisierung des Satzes von Pythagoras

In der Abbildung 4 sind entsprechend fŸr alle vier rechtwinkligen Teildreiecke unseres orthodiagonalen Viereckes die Kathetenquadrate eingetragen, wobei aber die Hypotenusenquadrate weggelassen wurden. Offensichtlich ist nun rot = blau.

Abb. 4: Rot = blau

3     Zerlegungsbeweise nach Perigal

Die folgenden Zerlegungsbeweise gehen auf Henry Perigal (1801-1898) zurŸck. Es sind ãSchaufelrad-BeweiseÒ.

FŸr die Zerlegungsbeweise ist eine etwas mŸhsame Fallunterscheidung gemŠ§ der grš§enmŠ§igen Anordnung der Diagonalenabschnitte p, q, r, s  erforderlich.

ZunŠchst nehmen wir an, dass alle Diagonalenabschnitte verschieden lang sind.

Wir bezeichnen den kŸrzesten Diagonalenabschnitt mit p (piccolo).

(i)             r ist der zweitkleinste Diagonalenabschnitt. Dann sind q und s die beiden grš§ten Diagonalenabschnitte. Diese beiden UnterfŠlle sind ŸberlegungsmŠ§ig symmetrisch.

(ii)           r ist der zweitgrš§te Diagonalenabschnitt

(iii)          r ist der grš§te Diagonalenabschnitt

Falls gleich lange Diagonalenabschnitte vorhanden sind, ergeben sich SonderfŠlle. Bei drei oder vier gleich Langen Diagonalenabschnitten haben wir ein Drachenviereck oder im Sonderfall ein Quadrat. Da ist keine Zerlegung mehr erforderlich. Falls zwei gleich lange Diagonalenabschnitte auf derselben Diagonalen liegen, haben wir ebenfalls ein Drachenviereck. Noch offen sind somit die FŠlle, wo zwei gleich lange Diagonalenabschnitte orthogonal sind.

(I)            Die beiden gleich langen Diagonalenabschnitte sind kŸrzer als die beiden anderen

(II)          Die beiden gleich langen Diagonalenabschnitte liegen lŠngenmŠ§ig zwischen den beiden anderen

(III)        Die beiden gleich langen Diagonalenabschnitte sind lŠnger als die beiden anderen

(IV)        Wir haben zwei mal zwei gleich lange Diagonalenabschnitte

Im Folgenden Beispiele.

3.1    Fall (i)

Abb. 5: Fall (i)

Wir sehen sehr schšne die ãSchaufelrŠderÒ.

Wir haben einen kleinen optischen TŠuschungseffekt. Das rote und das blaue Quadrat in der oberen BildhŠlfte der Abbildung 5 scheinen grš§er zu sein als die entsprechenden Quadrate in der unteren BildhŠlfte. Sie sind aber je gleich gro§. Vor allem beim roten Quadrat ist der Effekt stark. Das hŠngt damit zusammen, dass das ãUmfeldÒ in der unteren BildhŠlfte grš§er ist und das zentrale Quadrat daher kleiner erscheinen lŠsst.

Die Abbildung 6 zeigt den †bergang vom einen Quadratpaar zum anderen. Die zentralen Quadrate (blau und rot) werden vertikal, die SchaufelrŠder horizontal verschoben.

Abb. 6: FlŠchengleichheit

3.2    Fall (ii)

Abb. 7: Fall (ii)

Das blaue zentrale Quadrat ist leicht angeknabbert.

3.3    Fall (iii)

Abb. 8: Fall (iii)

3.4    Fall (I)

Abb. 9: Fall (I)

3.5    Fall (II)

Abb. 10: Fall (II)

3.6    Fall (III)

Abb. 11: Fall (III)

3.7    Fall (IV)

Abb. 12: Fall (IV)

Obwohl der Umriss der Gesamtfigur symmetrisch ist, sind es die Zerlegungen nicht.

4     Beweis mit FlŠchenverwandlungen nach Euklid

Wir verwenden die GedankengŠnge von Euklid (Euklid 1980, S. 32, Erstes Buch, ¤47).

Wir zerlegen die Quadrate der Abbildung 1 in Rechtecke (Abb. 13).

Abb. 13: Zerlegung in Rechtecke

Wir zeigen nun, dass jeweils zwei komplementŠr gefŠrbte und komplementŠr getšnte Rechtecke mit gemeinsamer Ecke den gleichen FlŠcheninhalt haben. Beispiel: Das fette rote Rechteck unten links ist flŠchengleich zum mageren blauen Rechteck rechts unten.

Dazu verwandeln wir die Rechtecke in flŠchengleiche Parallelogramme gemŠ§ Abbildung 14.

Abb. 14: Parallelogramme

Je zwei komplementŠre gefŠrbte und komplementŠr getšnte Parallelogramme haben eine gemeinsame Grundlinie. Diese ist eine der vier Diagonalenabschnitte.

Aus der Quadrateinbettung gemŠ§ Abbildung 15 geht hervor, dass zwei Parallelogramme mit gemeinsamer Grundlinie auch gleiche Hšhen haben, und zwar ebenfalls den Diagonalenabschnitt.

Abb.15: Einbettung in Quadrate

Wir kšnnen also die Parallelogramme der Abbildung 12 in vier Paare von kongruenten Quadraten verwandeln (Abb. 16). Damit ist rot = blau bewiesen.

Abb. 16: Rot = Blau

Die Abbildung 16 ist verwandt mit der Abbildung 4.

5     Link mit dem Satz des Pythagoras

Wir lassen in einem orthodiagonalen Viereck eine Seite und damit zwei Diagonalenabschnitte gegen null gehen. Als Grenzlage erhalten wir ein rechtwinkliges Dreieck und die rot = blau – FlŠchengleichheit ist der Satz des Pythagoras.

Da wir in den Abschnitten 3 und 4 den Satz des Pythagoras nicht verwendet haben, ergeben sich zwei Beweise fŸr diesen Satz des Pythagoras.

6     Ausblick in den Raum

6.1    Orthodiagonales Oktaeder

Ein Polyeder mit drei paarweise orthogonalen Diagonalen durch einen gemeinsamen Punkt ist ein (unregelmŠ§iges) Oktaeder.

Wir kšnnen die achte Seitendreiecke abwechslungsweise rot und blau fŠrben.

Dann ist die Summe der Quadrate der roten SeitenflŠchen gleich der Summe der Quadrate der blauen SeitenflŠchen.

Man beachte: ãQuadrat einer SeitenflŠcheÒ hat die Dimension vier. Das liegt au§erhalb des Vorstellungsraumes des Autors. Bleibt nur noch Rechnen.

6.2    Spezielles Tetraeder

FŸr den Beweis studieren wir zunŠchst ein Tetraeder mit drei paarweise orthogonalen Kanten der LŠngen p, q, r durch eine gemeinsame Ecke (Abb. 17).

Abb. 17: Tetraeder

Die drei paarweise orthogonalen Seitendreiecke des Tetraeders haben die FlŠcheninhalte:

 

                                                                                                           (4)

 

 

FŸr die Berechnung des Seitendreieckes ABC berechnen wir das Tetraedervolumen auf zwei Arten. ZunŠchst ist:

 

                                                                                                            (5)

 

 

Wir denken uns nun ein Koordinatensystem eingepasst mit dem Ursprung in O so dass:

 

                                                                                 (6)

 

 

Die Ebene ABC hat somit die Gleichung:

 

                                                                                                                    (7)

 

 

†ber die Hessesche Normalform finden wir den Abstand vom Ursprung und damit die auf die DreiecksflŠche ABC bezogene Tetraederhšhe:

 

                                                                                             (9)

 

 

Wir vergleichen nun das Tetraedervolumen

 

                                                                                           (10)

 

 

mit (5) und erhalten:

 

                                                                                 (11)

 

 

Somit ist:

 

                                                                                     (12)

 

 

Wegen (4) hei§t das in Worten:

In unserem Tetraeder ist das Quadrat der SeitenflŠche ABC gleich der Summe der Quadrate der drei Ÿbrigen (paarweise orthogonalen) SeitenflŠchen.

6.3    Verallgemeinerung des Satzes von Pythagoras

Wir haben somit eine Verallgemeinerung des Satzes von Pythagoras in den Raum. Er operiert allerdings mit vierdimensionalen Begriffen und kann daher nicht visualisiert werden.

6.4    Orthodiagonales Oktaeder

ZurŸck zu unserem Oktaeder mit drei paarweise orthogonalen Diagonalen durch einen gemeinsamen Punkt. Wir zerlegen dieses Oktaeder mit Hilfe der Diagonalen in acht Tetraeder mit je drei paarweise orthogonalen Kanten, schreiben obigen Satz fŸr jedes Tetraeder auf und addieren rot-blau-alternierend.

So erhalten wir: Die Summe der Quadrate der roten SeitenflŠchen ist gleich der Summe der Quadrate der blauen SeitenflŠchen.

 

 

Literatur

Euklid (1980): Die Elemente. Nach Heibergs Text aus dem Griechischen Ÿbersetzt und herausgegeben von Clemens Thaer. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. ISBN 3-534-01488-X

 

 

Websites

Abgerufen 16. 06. 2016

 

Adrian Christen: Beweise des Satzes von Pythagoras

www.mathematik-nachhilfe.de/wp-content/uploads/Pythagoras.pdf

 

Martin Josefsson: Characterizations of Orthodiagonal quadrilaterals:

http://forumgeom.fau.edu/FG2012volume12/FG201202.pdf

 

Hans Walser: Viereck mit orthogonalen Diagonalen

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Viereck_m_orth_Diag/Viereck_m_orth_Diag.htm

 

Hans Walser: Miniaturen Pythagoras

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen_Uebersicht/Pythagoras/index.html

 

Hans Walser: Miniaturen Optische Effekte

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen_Uebersicht/Optische_Effekte/index.html