Hans Walser, [20220415]
Punktraster
Idee und Anregung: Lutz-Westphal (2022).
Kinematisches Spiel im Quadratraster und im Dreiecksraster.
Die Abbildung 1 zeigt zwei kongruente quadratische Punktraster. Die Punkte sind mit einer Transparenz von 50% gezeichnet. Bei einer Überlagerung erscheinen sie lila.
Die Punkte approximieren eine Kreisscheibe. Dies ist rein technisch-ästhetisch bedingt, damit keine Ecken vorstehen.
Abb. 1: Punktraster
Nun überlagern wir die beiden Raster im Mittelpunkt und verdrehen den blauen Raster (Abb. 2).
Abb. 2: Überlagerung
Die Abbildung 3 zeigt die Situation für eine Verdrehung von 45°.
Abb. 3: Verdrehung um 45°
In der Mitte haben wir nach Konstruktion eine exakte blau-rote-Überlagerung, also lila. Rechts davon, und zwar sieben Einheiten im roten Raster, scheint es wieder eine blau-rote-Überlagertung zu geben. Diese ist aber nicht exakt, denn im blauen Raster haben wir die Länge 5*sqrt(2) ≈ 7.071 > 7. Man sieht auch, dass der blaue Punkt etwas rechts über dem roten liegt. Wegen der Irrationlität von sqrt(2) gibt es nirgends mehr eine exakte blau-rote-Überlagerung. Das Muster hat also keine regelmäßige Translationssymmetrie.
Auch bei einer Verdrehung um 60° gibt es keine regelmäßige Translationssymmetrie (Abb. 4).
Abb. 4: Verdrehung um 60°
Bei einer Verdrehung um arctan(4/3) ≈ 53.13° ergeben sich (unendlich) viele exakte blau-rote-Überlagerungen (Abb. 5). Diese lila Punkte bilden ihrerseits ein Quadratraster (Abb. 5).
Abb. 5: Verdrehung um arctan(4/3) ≈ 53.13°
Die meisten Pythagoras-Aufgaben arbeiten mit dem rechtwinkligen Dreieck mit dem Seitenverhältnis a:b:c = 3:5:6. So auch hier (Abb. 6).
Abb. 6: Das Lehrer-Dreieck
Das Lehrer-Dreieck hat die Katheten der Längen 3 und 4 im roten Raster und die Hypotenuse der Länge 5 im blauen Raster. Der benötigte Drehwinkel ist daher arctan(4/3) ≈ 71.57°. Dies ist der Winkel beta in der üblichen Beschriftung.
Weiter sehen wir ein kleineres rechtwinkliges Dreieck mit den Kathetenlängen 2 und 1 im roten Raster. Daraus ergibt sich für das lila Quadratraster eine Maschenweite sqrt(5). Die Zahlen 2 und 1 sind die sogenannten Parameter des Lehrerdreiecks. Dazu mehr im folgenden Abschnitt.
Die Figur hat Translationssymmetrie.
Zu zwei gegebenen Zahlen (Parametern) m und n mit m > n > 0, gcd(m,n) = 1 und modp(m - n, 2) = 1 (in Worten: m und n sind teilerfremd und nicht beide ungerade) bilden die drei Zahlen:
a = m^2 – n^2, b = 2*m*n, c = m^2 + n^2
ein primitives (teilerfremdes) pythagoreische Zahlentripel. Das rechtwinklige Dreieck mit den Kathetenlängen a und b hat die Hypotenusenlänge c. Es ist ein pythagoreisches Dreieck.
Die Tabelle 1 zeigt die ersten Beispiele. Die Nr.1 ist das Lehrerdreieck
Nr. |
m |
n |
a |
b |
c |
beta [°] |
1 |
2 |
1 |
3 |
4 |
5 |
53.13010234 |
2 |
3 |
2 |
5 |
12 |
13 |
67.38013503 |
3 |
4 |
1 |
15 |
8 |
17 |
28.07248693 |
4 |
4 |
3 |
7 |
24 |
25 |
73.73979531 |
5 |
5 |
2 |
21 |
20 |
29 |
43.60281896 |
6 |
5 |
4 |
9 |
40 |
41 |
77.31961646 |
7 |
6 |
1 |
35 |
12 |
37 |
18.92464441 |
8 |
6 |
5 |
11 |
60 |
61 |
79.61114216 |
9 |
7 |
2 |
45 |
28 |
53 |
31.89079179 |
10 |
7 |
4 |
33 |
56 |
65 |
59.48976262 |
11 |
7 |
6 |
13 |
84 |
85 |
81.20258926 |
12 |
8 |
1 |
63 |
16 |
65 |
14.25003270 |
13 |
8 |
3 |
55 |
48 |
73 |
41.11209043 |
14 |
8 |
5 |
39 |
80 |
89 |
64.01076642 |
15 |
8 |
7 |
15 |
112 |
113 |
82.37185031 |
16 |
9 |
2 |
77 |
36 |
85 |
25.05761541 |
17 |
9 |
4 |
65 |
72 |
97 |
47.92497795 |
18 |
9 |
8 |
17 |
144 |
145 |
83.26707863 |
19 |
10 |
1 |
99 |
20 |
101 |
11.42118627 |
20 |
10 |
3 |
91 |
60 |
109 |
33.39848846 |
21 |
10 |
7 |
51 |
140 |
149 |
69.98404039 |
22 |
10 |
9 |
19 |
180 |
181 |
83.97442501 |
Tab. 1: Pythagoreische Zahlentripel
Zu jedem pythagoreischen Zahlentripel gibt es eine Figur mit Translationssymmetrie (Abb. 7 und 8).
Abb. 7: Nr. 2
Abb. 8: Nr. 5
Es geht auch mit einem Dreiecksraster (Abb. 9).
Abb. 9: Dreiecksraster
Die Abbildung 10 zeigt eine Verdrehung um 30°.
Abb. 10: Verdrehung um 30°
Im Zentrum haben wir eine exakte blau-rote-Überlagerung. Rechts davon, und zwar sieben Einheiten im roten Raster, scheint es wieder eine blau-rote-Überlagertung zu geben. Diese ist aber nicht exakt, denn im blauen Raster haben wir die Länge 4*sqrt(3) ≈ 6.928 < 7. Man sieht auch, dass der blaue Punkt etwas links über dem roten liegt. Wegen der Irrationlität von sqrt(3) gibt es nirgends mehr eine exakte blau-rote-Überlagerung. Das Muster hat also keine regelmäßige Translationssymmetrie.
Bei einer Verdrehung um arcsin(5/7*sqrt(3)/2) ≈ 38.213° ergeben sich unendlich viele exakte blau-rote-Überlagerungen. Diese bilden ein Dreiecksraster (Abb. 11).
Abb. 11: Exakte Überlagerungen
Hintergrund: Das Dreieck mit dem Seitenverhältnis a:b:c = 3:5:7 hat den Winkel gamma = 120° (Abb. 12). Die Seitenlängen a und b spielen im roten Raster, die Seitenlänge c im blauen. Der Drehwinkel arcsin(5/7*sqrt(3)/2) ≈ 38.213° ergibt sich aus dem Sinus-Satz.
Abb. 12: „Pythagoreisches“ 120°-Dreieck
Dreiecke mit ganzzahligen Seitenlängen und dem Winkel gamma = 120° (oder 60°) sind das Analogon zu den pythagoreischen rechtwinkligen Dreiecken. Es gibt dazu analoge Formeln und Eigenschaften.
Literatur
Hoehn, Alfred und
Walser, Hans (2003): Gittergeometrie und pythagoreische Dreiecke. Praxis der Mathematik (5/45), 215-217.
Lutz-Westphal, Brigitte (2022): Gleichmäßig
ungleichmäßig. Die Seite für Kinder. Mitteilungen der Deutschen
Mathematiker-Vereinigung DMV. 2022. 30. 1. S.80. DOI 10.1515/dmvm-2022-0025.
Walser, Hans (1995): Pythagoreische Dreiecke in der Gittergeometrie. Didaktik der Mathematik, 23, 193-205.
Walser, Hans (1999): Pythagoreische Dreiecke und Gittergeometrie. Beiträge zum Mathematikunterricht 1999. Vorträge auf der 33. Tagung für Didaktik der Mathematik vom 1. bis 5.3.1999 in Bern. Für die GDM herausgegeben von Michael Neubrand. Hildesheim: Franzbecker, 1999. ISBN 3-88120-304-4. S. 575-577
Walser, Hans (2000): Lattice Geometry and Pythagorean Triangles. ZDM Zentralblatt für Didaktik der Mathematik. Jahrgang 32, Heft 2, S. 32 - 35
Weblinks
Hans Walser: Punktraster
http://www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/P/Punktraster/Punktraster.htm