Hans Walser, [20160425]
Pythagoras-Schmetterling
Wir beginnen mit einem beliebigen rechtwinkligen Dreieck und zeichnen die Ÿbliche Pythagoras-Figur. Dann fŸgen wir zwei weitere Quadrate an (rot in Abbildung 1).
Abb. 1: Noch zwei Quadrate
In der Schule lernen wir den Satz des Pythagoras: Die FlŠchensumme der beiden blauen Quadrate ist gleich der FlŠche des schwarzen Quadrates:
blau = schwarz (1)
Beim Spielen mit einer dynamischen Geometrie-Software stellen wir fest, dass die FlŠchensumme der beiden roten Quadrate das FŸnffache der FlŠche des schwarzen Quadrates ist, und das unabhŠngig von der Form des rechtwinkligen Dreieckes:
rot = fŸnf mal schwarz (2)
Da ist kein Halten mehr. In der Abbildung 2 sind zwei weitere Schritte eingezeichnet.
Abb. 2: Pythagoras-Schmetterling
Wir stellen fest:
hellblau = zehn mal schwarz (3)
und:
gold = 29 mal schwarz (4)
Die Bezeichnung Schmetterling bezieht sich auf die Struktur der Figur, welche links und rechts die gleiche ist. Ein realer Schmetterling ist auch grš§enmŠ§ig links und rechts einigerma§en gleich (Abb. 3, vgl. (Walser 2014)).
Abb. 3: Distelfalter
Als Mathematiker frŠgt man nach dem Beweis. Als normaler Mensch mšchte man wissen, wie es weiter geht.
Beides lŠsst sich mithilfe des Max-und-Moritz-Theorems (Busch 1865) angehen.
Wir beginnen mit zwei Quadraten (blau in Abb. 4), die an einer Ecke gelenkig verbunden sind. Dann fŸgen wir zwei weitere Quadrate an (rot in Abb. 4).
In dieser Situation gilt das Max-und-Moritz-Theorem:
rot = zwei mal blau (5)
Abb. 4: rot = zwei mal blau
FŸr den Beweis arbeiten wir mit den Bezeichnungen der Abbildung 5.
Abb. 5: Bezeichnungen
Die
Winkel und
ergŠnzen
sich auf 180¡. Daher ist:
(6)
Aus dem Kosinus-Satz ergibt sich:
(7)
Wegen (6) ergibt sich durch Addition der beiden Zeilen von (7):
(8)
Damit ist das Max-und-Moritz-Theorem bewiesen.
Nun zurŸck zum Pythagoras-Schmetterling.
Wir arbeiten mit den Bezeichnungen der Abbildung 6.
Abb. 6: Beweisfigur
ZunŠchst ist:
(9)
In der Abbildung 6 sind das schwarze und dass kleine blaue Quadrat in der Position der beiden blauen Quadrate der Abbildung 5, das gro§e blaue und das kleine rote Quadrat in der Position der beiden roten Quadrate. Nach dem Max-und-Moritz-Theorem gilt:
(10)
Und analog:
(11)
Addition der beiden Zeilen (10) und (11) ergibt wegen (9):
(12)
Das ist die Aussage (2).
Weiter ist rechts:
(13)
Analog links:
(14)
Addition der Zeilen (13) und (14) ergibt wegen (9) und (12):
(15)
Das ist die Aussage (3).
Weiter gilt rechts:
(16)
Analog gilt auf der linken Seite:
(17)
Addition der Zeilen (13) und (14) ergibt wegen (9), (12) und (15):
(18)
Das ist die Aussage (4).
Der nŠchste Schritt sieht so aus:
(19)
Addition:
(20)
Und aus Spa§ an der Freude noch ein Schritt:
(21)
Addition:
(22)
Die FlŠchensummen sind Vielfache der FlŠche des schwarzen Quadrates. Wir schreiben:
(23)
Gesucht
ist die Schmetterlings-Folge . Wir wissen bereits:
n |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
|
1 |
5 |
10 |
29 |
73 |
194 |
Tab. 1: Schmetterlings-Folge
Allgemein
ist (fŸr , fŸr kleinere n
mŸssen die Bezeichnungen geŠndert werden):
(24)
Addition unter Verwendung der Schreibweise (23):
(25)
Daraus ergibt sich die Rekursion:
(26)
Mit den Startwerten aus der Tabelle 1 ergeben sich die Werte der Tabelle 2(vgl. [1]). FŸr die Quotientenfolge zweier aufeinanderfolgender Folgenglieder zeichnet sich ein bekannter Grenzwert ab (Quadrat des Goldenen Schnittes, vgl. (Walser 2013)).
n |
|
|
|
|
|
n |
|
|
1 |
1 |
5 |
|
|
|
11 |
23761 |
2.618155802 |
2 |
5 |
2 |
|
|
|
12 |
62210 |
2.617987462 |
3 |
10 |
2.900000000 |
|
|
|
13 |
162865 |
2.618051761 |
4 |
29 |
2.517241379 |
|
|
|
14 |
426389 |
2.618027201 |
5 |
73 |
2.657534247 |
|
|
|
15 |
1116298 |
2.618036582 |
6 |
194 |
2.603092784 |
|
|
|
16 |
2922509 |
2.618032998 |
7 |
505 |
2.623762376 |
|
|
|
17 |
7651225 |
2.618034367 |
8 |
1325 |
2.615849057 |
|
|
|
18 |
20031170 |
2.618033844 |
9 |
3466 |
2.618869013 |
|
|
|
19 |
52442281 |
2.618034044 |
10 |
9077 |
2.617715104 |
|
|
|
20 |
137295677 |
2.618033968 |
Tab. 2: Schmetterlings-Folge
Bemerkung: Die Rekursionsformel (26) ist symmetrisch. Wenn wir rŸckwŠrts rechnen, erhalten wir:
(27)
Die
Tabelle 3 zeigt die Werte fŸr negative n.
Die Schmetterlings-Folge ist symmetrisch. Der Symmetriepunkt ist bei . Man kann sich Ÿberlegen, was dieser Symmetriepunkt
geometrisch bedeutet.
n |
|
|
n |
|
—20 |
137295677 |
|
—8 |
1325 |
—19 |
52442281 |
|
—7 |
505 |
—18 |
20031170 |
|
—6 |
194 |
—17 |
7651225 |
|
—5 |
73 |
—16 |
2922509 |
|
—4 |
29 |
—15 |
1116298 |
|
—3 |
10 |
—14 |
426389 |
|
—2 |
5 |
—13 |
162865 |
|
—1 |
1 |
—12 |
62210 |
|
0 |
2 |
—11 |
23761 |
|
1 |
1 |
—10 |
9077 |
|
2 |
5 |
—9 |
3466 |
|
3 |
10 |
Tab. 3: Negative Indizes
Wir
lassen nun die eine Kathete des Ausgangsdreieckes gegen null gehen: . Aus der Abbildung 6 sehen wir, dass dann die Figur
die Grenzlage der Abbildung 7 einnimmt.
Abb. 7: Grenzlage
Wir erkennen in dieser Grenzlage zweimal die Fibonacci-Packung der Quadrate mit den SeitenlŠngen der Fibonacci-Folge. Die Abbildung 8 zeigt dasselbe etwas ausfŸhrlicher.
Abb. 8: Fibonacci-Packungen
Zur Erinnerung die Fibonacci-Folge (Walser 2012, S. 9, Walser 2013, S. 105):
n |
0 |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
|
0 |
1 |
1 |
2 |
3 |
5 |
8 |
13 |
21 |
FŸr die SeitenlŠngen der Quadrate gilt in unserem Grenzfall:
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Somit ist in unserem Grenzfall:
(28)
Wegen der Invarianz der FlŠchensumme der Quadrate mit gleichem Index gilt das aber nicht nur im Grenzfall, sondern allgemein.
Vergleich mit (23) ergibt:
(29)
Die Abbildung 9 ist eine schematische Darstellung von (29).
Abb. 9: Schematische Darstellung
FŸr die Fibonacci-Zahlen gibt es die explizite Formel von Binet (Walser 2012, S. 13., Walser 2013, S. 106). Diese Formel enthŠlt den Goldenen Schnitt:
(30)
Damit lautet die Formel von Binet:
(31)
Wir setzen (31) in (29) und erhalten:
(32)
Die Folge
ist eine Linearkombination dreier geometrischer Folgen. Wegen ist die
Folge im Wesentlichen exponentiell wachsend. FŸr die Quotientenfolge gilt:
(33)
Die explizite Formel kšnnen wir direkt aus der Rekursion (26) ohne den Umweg Ÿber die Fibonacci-Zahlen gewinnen. Das geht wie folgt.
Wir
nehmen einmal heuristisch an, die Quotientenfolge habe einen Grenzwert :
(34)
Aus der Rekursion (26) erhalten wir:
(35)
Daraus
ergibt sich durch GrenzŸbergang :
(36)
Diese
kubische Gleichung hat offensichtlich eine erste Lšsung .
Wir dividieren durch den entsprechenden Linearfaktor:
(37)
Die nun noch quadratische Gleichung
(38)
hat die beiden Lšsungen:
(39)
Der Goldene Schnitt tritt halt wieder auf. Nun machen wir fŸr die explizite Formel den Ansatz:
(40)
Einsetzen
der Startwerte aus der
Tabelle 1 liefert ein Gleichungssystem fŸr
.
(41)
Dieses Gleichungssystem (41) hat die Lšsung:
(42)
Einsetzen in den
Ansatz (40) ergibt die explizite Formel (32). Diese muss noch induktiv
verifiziert werden:
(43)
Die
Abbildung 10 zeigt die Punkte .
Abb. 10: Punktgraf
Die Punkte sind linear verbunden. Wir sehen die Symmetrie und ahnen das exponentielle Wachstum.
Der Polygonzug der Abbildung 10 zeigt allerdings nicht eine Approximation des Funktionsgrafen von:
(44)
Wegen der
Basis in der
Mitte hat die Funktion
komplexe
Funktionswerte. So ist zum Beispiel:
(45)
Die Abbildung 11 zeigt die Kurve mit der Parameterdarstellung:
(46)
Abb. 11: In der Gau§schen Zahlenebene
Die
Abbildung 12 zeigt den Ausschnitt fŸr in
Ÿberhšhter Darstellung.
Abb. 12: Grš§erer Ausschnitt
Literatur
Busch, Wilhelm (1865): Max und Moritz eine Bubengeschichte in sieben Streichen. MŸnchen: Verlag von Braun und Schneider.
Walser, Hans (2012): Fibonacci. Zahlen und Figuren. Leipzig, EAGLE, Edition am Gutenbergplatz. ISBN 978-3-937219-60-8.
Walser, Hans (2013): Der Goldene Schnitt. 6., bearbeitete und erweiterte Auflage. Mit einem Beitrag von Hans Wu§ing Ÿber populŠrwissenschaftliche Mathematikliteratur aus Leipzig. Edition am Gutenbergplatz, Leipzig. ISBN 978-3-937219-85-1.
Walser, Hans (2014): Symmetrie in Raum und Zeit. Leipzig: EAGLE, Edition am Gutenbergplatz. ISBN 978-3-937219-46-2.
Weblinks