Hans Walser, [20131013], [20160331], [20160401]

QuetschwŸrfel

1        Worum geht es?

Es wird auf die Problematik der in Schulen weitverbreiteten ãSchrŠgbilderÒ eingegangen.

2        Das Bild

In SchulbŸchern und ArbeitsblŠttern sieht man oft ãWŸrfelÒ-Darstellungen wie etwa in der Abbildung 1.

Abb. 1: Was ist denn das?

Ein WŸrfel kann es allerdings nicht sein. Wenn wir frontal auf eine WŸrfelseite sehen, ist bei einem massiven WŸrfel nichts von den anderen WŸrfelseiten sichtbar. Dies lŠsst sich leicht an einem WŸrfelmodell ŸberprŸfen.

3        Rekonstruktion und Modell

Wir nehmen nun an, die Abbildung 1 zeige das Orthobild (Orthogonalprojektion, Normalprojektion) eines Spates mit lauter gleich langen Kanten.

Damit kšnnen wir den Spat rekonstruieren. Rechnerisch geht das etwa so: Wir wŠhlen ein rŠumliches kartesisches Koordinatensystem so dass ,  und . Die KantenlŠnge ist also 1. Nun ist zu beachten, dass die y-Achse nicht durch den Punkt D verlŠuft, sondern orthogonal zum Frontquadrat ABFE hinter A in die Tiefe. FŸr den Punkt D lesen wir zunŠchst die zwei Koordinaten  und  ab. Da die Kante AD die LŠnge 1 haben soll, folgt , also . Entsprechend lassen sich die Koordinaten der restlichen Punkte berechnen.

Mit Vektorgeometrie lassen sich nun auch die Winkel  und  bestimmen.

Die Abbildung 2 zeigt eine Abwicklung des Spates.

Abb. 2: Abwicklung des QuetschwŸrfels

Ein aus diese Abwicklung gebautes Papier- oder Kartonmodell kann nun entsprechend der Abbildung 1 gesehen werden (Abb. 3a). Ein WŸrfel ist es aber nicht (Abb. 3b). Es ist im wšrtlichen Sinn eine falsche Schachtel.

Abb. 3: QuetschwŸrfel

4        Vergleich mit Normalprojektion

Die Abbildung 4 zeigt den Vergleich mit der Normalprojektion eines echten WŸrfels. Die angedeuteten SeitenflŠchen sind in den beiden Darstellungen kongruent.

Abb. 4: QuetschwŸrfel und WŸrfel

5        Fehlende Eindeutigkeit

Die Abbildung 5 zeigt eine Serie von SchrŠgbildern. Welches ist der WŸrfel?

Abb. 5: Welches ist der WŸrfel?

Die Frage kann nicht entschieden werden. Nach den Regeln des SchrŠgbildes muss die Tiefendimension (Richtung nach ãhintenÒ) zusŠtzlich mit einer Einheit versehen werden. Anders gesagt: Es muss zusŠtzlich gesagt werden, welches der WŸrfel ist (EichwŸrfel).

Die Abbildung 6 zeigt dieselbe WŸrfelserie in Normalprojektion. Die farbige rechte SeitenflŠche ist jeweils Ÿbernommen worden.

Abb. 6: Alles WŸrfel

6        Argumente fŸr das SchrŠgbild

6.1      Schattenbild

Das Schattenbild eines KantenwŸrfels ist (wegen der gro§en Entfernung der Sonne von der Erde) annŠhernd ein SchrŠgbild. Dieses ist also ãnatŸrlichÒ.

6.2      Einfachheit

In Auseinandersetzung mit Lehrpersonen und Schulbuchautoren wird immer wieder die ãEinfachheitÒ des SchrŠgbildes hervorgehoben. SchŸlerinnen und SchŸler kšnnen auf Karopapier selber und rasch zeichnen.

7        Argumente gegen das SchrŠgbild

Die ãEinfachheitÒ ist richtig, solange wir uns auf Polyeder beschrŠnken. Sobald krumme FlŠchen (Zylinder, Kegel, Kugel) ins Spiel kommen wird die Sache problematisch. Die korrekten SchrŠgbildfiguren sehen unnatŸrlich aus.

Die folgenden beiden Abbildungen basieren auf dem SchrŠgbild der Abbildung 1.

Die Abbildung 7 zeigt einen dem ãWŸrfelÒ einbeschriebenen geraden Kreiszylinder.

Abb. 7: Quetschzylinder

Zum Vergleich dazu die Darstellung desselben Zylinders in Normalprojektion (Abb. 8).

Abb. 8: Zylinder

Die menschliche Wahrnehmung ist sehr sensibel auf ãfalscheÒ Kreisbilder. Die Ellipse mit horizontaler Symmetrieachse (Abb. 8) wird als ãrichtigesÒ Kreisbild empfunden, die schiefe Ellipse (Abb. 7) als ãfalschÒ. Das fŸhrt dann gelegentlich dazu, dass ãkorrigiertÒ wird wie etwa in Abbildung 9.

Abb. 9: ãKorrigierterÒ Quetschzylinder

Im Kontext des WŸrfels ist der Fehler sofort einsichtig. Der Deckkreis mŸsste die Mittelpunkte der oberen WŸrfelkanten berŸhren, was er aber offensichtlich nicht tut. Bei der Darstellung des freistehenden Zylinders kšnnen wir kaum glauben, dass der Zylinder gleich dick wie hoch sein soll.

Bei der Abbildung 8 ist dagegen alles in Ordnung.

Die Abbildung 10 zeigt einen dem ãWŸrfelÒ einbeschriebenen geraden Kreiskegel.

Abb. 10: Quetschkegel

Die Figuren sehen echt bescheuert aus (Kommentar eines Kollegen). Zum Vergleich dazu die Normalprojektion desselben Kegels (Abb. 11).

Abb. 11: Kegel

Der Umriss einer Kugel erscheint im SchrŠgbild als Ellipse (Abb. 12). Das sieht man am Schattenbild. In der Normalprojektion ergibt sich ein Kreis als Kugelumriss.

Abb. 12: Schatten als Quetschkugel

Der Umriss der Inkugel eines WŸrfels im SchrŠgbild ist eine Ellipse (Abb. 13). Der €quator ist schief.

Abb. 13: Quetschkugel

Diese Ellipse oft auf einen Kreis ãkorrigiertÒ. Dies ist einer der hŠufigsten Darstellungsfehlern in SchulbŸchern und Unterrichtsmaterialien.

Zum Vergleich zur Quetschkugel die Normalprojektion derselben Kugel (Abb. 14). Der €quator ist horizontal.

Abb. 14: Kugel

Korrekte Kreis- und Kugelzeichnungen im SchrŠgbild sind (fŸr uns heutige) nicht einfach herzustellen. Am besten ist es, dazu eine 3d-Grafik-Software zu verwenden.

8        Didaktisches

Wer macht es besser? Wir brauchen nicht lange zu suchen. Die Bauanleitungen von LEGO¨ verwenden ein Darstellungsprinzip (Normalprojektion oder Normalaxonometrie), das zum WŸrfelbild der Abbildung 15 fŸhrt. Damit werden schon Kinder im Vorschulalter mit guten Raumdarstellungen vertraut.

Abb. 15: Der schšne WŸrfel

Und viele Software lŠdt zum Zeichnen von dreidimensionalen Figuren ein. Meist steht dabei sogar eine Perspektive zur VerfŸgung.

9        Normalaxonometrie im Quadratraster

Als Argument fŸr den SchrŠgbild-ãWŸrfelÒ wird oft die leichte Zeichenbarkeit im Karoraster verwendet. TatsŠchlich kšnnen aber auch exakte normalaxonometrische WŸrfelbild im Quadratraster gezeichnet werden. Die Abbildungen 16 und 17 geben je ein Beispiel.

Abb. 16: Normalaxonometrie im Raster

Abb. 17: Normalaxonometrie im Raster

Beide Lšsungen haben den Nachteil, dass es vergleichsweise gro§e WŸrfel gibt. Immerhin sind die Lšsungen in einem 4mm Quadratraster auf DIN A4 Papier machbar.

Es gibt unendlich viele exakte Rasterlšsungen [Vgl. [20131014] ].

10    Approximationen

Normalaxonometrische WŸrfelbilder lassen sich natŸrlich auch approximativ in den Karoraster einpassen. Das gibt dann weniger gro§e Bilder. Die Abbildung 18a) zeigt ein normalaxonometrisches WŸrfelbild (die oberen vier Ecken passen nicht in den Raster), wŠhrend die Abbildung 18b) eine in den Raster passende Approximation darstellt. Die Approximation ist um etwa 3.9% zu hoch.  

Abb. 18: Normalaxonometrie und Approximation

Die Abbildung 19 zeigt eine Variante. Die Approximation im Raster (Abb. 19b) ist 1.8% zu niedrig.

Abb. 19: Variante

11    Normalaxonometrie mit dynamischer Geometrie Software

Im Folgenden eine rezeptmŠ§ige Darstellung eines an sich exakten Vorgehens.

Wir haben gesehen, dass unser ãGefŸhlÒ fŸr eine korrekte Darstellung eng an die Darstellung eines Kreises als Ellipse verknŸpft ist.

11.1  Rezept

Wir orientieren uns an der Abbildung 8 und beginnen daher gleich mit der Ellipse.

Wir wŠhlen die beiden Brennpunkte F und G auf einer horizontalen Geraden. Dazu die Mittelsenkrechte und darauf einen Punkt P (Abb. 20).

Abb. 20: Start

Nun zeichnen wir die Ellipse mit diesen beiden Brennpunkten durch P (Abb. 21). In dynamischer Geometrie Software steht ein Button dazu zur VerfŸgung.

Abb. 21_ Ellipse

Auf der Ellipse wŠhlen wir einen Punkt Q und zeichnen den dazu diametralen Punkt (Abb. 22).

Abb. 22: Punkt auf Ellipse und diametraler Punkt

In diesen beiden Punkten zeichnen wir die Tangente an die Ellipse (Abb. 23).

Abb. 23: Tangenten

Wir zeichnen die Mittelparallele zu den beiden Tangenten und schneiden sie mit der Ellipse. In den Schnittpunkten zeichnen wir erneut Tangenten an die Ellipse (Abb. 24).

Abb. 24: Mittelparallele und weitere Tangenten

Die vier Tangenten bilden ein Viereck. Dieses ist das Bild des Deckquadrates unseres WŸrfels.

Die zum Deckquadrat senkrechten WŸrfelkanten sind parallel zur kurzen Ellipsenachse zu zeichnen (Abb. 25).

Abb. 25: Weitere WŸrfelkanten

Die LŠnge der Bilder dieser WŸrfelkanten ist gleich dem Abstand der beiden Brennpunkte F und G (Abb. 26). Dies ist der Gag dieser Konstruktion.

Abb. 26: Abstand der Brennpunkte

Nun kšnnen wir zum WŸrfelbild ergŠnzen und das Bild grafisch aufpeppen (Abb. 27).

Abb. 27: Bild des WŸrfels

11.2  Kommentare

Das Verfahren ist rein planimetrisch und hat nichts mit 3d Geometrie Software zu tun. Das wŠre ein anderes Thema und sicher viel einfacher.

Die lange Achse der Ellipse ist die wirkliche KantenlŠnge des WŸrfels.

Die Geometrie der Kegelschnitte war zu Zeiten von Zirkel und Lineal eine aufwŠndige Sache. Mit dynamischer Geometrie Software geht alles viel einfacher.

Mit den vier Punkten F, G, P, Q kšnnen wir das Bild verŠndern.

Mit dem Punkt Q kšnnen wir den WŸrfel um die senkrechte Achse drehen (Ab. 28). Die Ellipse bleibt unverŠndert.

Abb. 28: Drehen des WŸrfels

Durch auf- und Abschieben des Punktes P wird der WŸrfel um eine horizontale Achse gekippt (Abb. 29).

Abb. 29: Kippen des WŸrfels

Bis jetzt haben wir immer nur ãstehendeÒ WŸrfel gezeichnet, die auf einer horizontalen Unterlage stehen.

Durch VerŠndern der Brennpunkte, so dass sie nicht mehr auf einer horizontalen Geraden liegen, erreichen wir Bilder von WŸrfeln, welche schief in den Raum eingebettet sind (Abb. 30).

Abb. 30: Schiefe Bettung