Hans Walser, [20150928]

Schiefer Pythagoras

1     Worum geht es?

Es wird eine Variation des Satzes des Pythagoras bearbeitet, welche nicht auf das rechtwinklige Dreieck beschrŠnkt ist.

2     Der klassische Satz des Pythagoras

Die Abbildung 1 illustriert den klassischen Satz des Pythagoras.

 

Abb. 1: Blau = rot

 

Der rechte Winkel des gelben Dreiecks ist wesentlich. Wir der rechte Winkel zum Beispiel durch einen spitzen Winkel ersetzt, verkleinert sich das blaue Quadrat (Abb. 2).

 

Abb. 2: Blau < rot

 

3     Der doppelte Pythagoras

3.1    Symmetrische Figur

Wir kšnnen die Figur der Abbildung 1 erweitern (Abb. 3). Somit erhalten wir eine achsensymmetrische Figur.

 

Abb. 3: Blau = 2 mal rot

 

3.2    Asymmetrische Figur

Wenn wir in der Figur der Abbildung 3 den rechten Winkel verŠndern, bleibt die Gleichheit erhalten (Abb. 4).

 

Abb. 4: Blau = 2 mal rot

 

Das eine blaue Quadrat wird kleiner, das andere aber flŠchenmŠ§ig um gleich viel grš§er.

3.3    Iteration

Wir verschieben die beiden blauen Quadrate der Abbildung 4 gemŠ§ Abbildung 5. Dann kšnnen wir die ursprŸnglichen roten Quadrate je viermal ansetzen, auch hier ausschlie§lich mit Verschiebungen in die Endlage gebracht.

 

Abb. 5: Iteration

 

3.4    Beweis fŸr den doppelten Pythagoras

FŸr den rechnerischen Beweis mit dem Kosinussatz verwenden wir die Bezeichnungen der Abbildung 6.

 

Abb. 6: Bezeichnungen

 

Nach dem Kosinussatz ist:

 

                                                                                               (1)

 

                                                                                               (2)

 

Wegen  sind die beiden Kosinuswerte entgegengesetzt gleich. Addition von (1) und (2) liefert daher:

 

                                                                                                       (3)

 

3.5     

3.6    Ganzzahliges Beispiel

Wegen

 

                                                                                                     (4)

 

ist bei gegebenen ganzzahligen Werten fŸr a, b, c der Wert d in der Regel nicht ganzzahlig. Es gibt aber ganzzahlige (ãpythagoreischeÒ) Lšsungen, etwa a = 9, b = 7, c = 8 und d = 14. Die Abbildung 7 zeigt die Figur mit einem Zerlegungsbeweis fŸr (3).

 

Abb. 7: Ganzzahliges Beispiel

 

4     Die beiden Dreiecke

Die beiden rechtwinkligen Dreiecke der Figur der Abbildung 3 sind kongruent.

Die beiden Dreiecke der Figur der Abbildung 4 sind nicht kongruent. Das eine ist spitzwinklig, das andere stumpfwinklig. Trotzdem haben sie Gemeinsamkeiten.

4.1    FlŠchengleichheit

Die beiden Dreiecke sind flŠchengleich.

4.1.1   Rechnerischer Beweis

Mit den Bezeichnungen der Abbildung 6 erhalten wir fŸr die beiden Dreiecke die FlŠcheninhalte:

 

                                                                               (5)

 

 

Wegen  sind die beiden Sinuswerte gleich.

4.1.2   Zerlegungsbeweis

Die Abbildung 8 zeigt einen Zerlegungsbeweis.

 

Abb. 8: Zerlegungsbeweis

 

4.1.3   ErgŠnzungsbeweis

Wir kšnnen die beiden Dreiecke durch Punktspiegelung je zu einem Parallelogramm ergŠnzen (Abb. 9). Die beiden Parallelogramme sind kongruent und um 90¡ relativ zueinander verdreht.

 

Abb. 9: ErgŠnzungsbeweis

 

Die roten Quadrate und die gelben Parallelogramme kšnnen zu einer Parkettierung erweitert werden (Abb. 10).

 

Abb. 10: Parkettierung

 

4.2     

4.3    Hšhen und Seitenhalbierende

Die beiden gelben Dreiecke haben einen Punkt gemeinsam. Die Hšhe des einen Dreiecks durch diesen Punkt liegt auf derselben Geraden wie die Seitenhalbierende des anderen Dreiecks (Abb. 11).

 

Abb. 11: Hšhen und Seitenhalbierende

 

Der Beweis ergibt sich aus der ErgŠnzung der Dreiecke zum Parallelogramm gemŠ§ Abbildung 9. Die Parallelogramme sind um 90¡ verdreht. Wenn wir noch je die zweite Diagonale einzeichnen, wird alles klar (Abb. 12).

 

Abb. 12: Beweis

 

5     Entfernung des Faktors 2

Die Bildlegende der Abbildung 4 und die entsprechende Gleichung (3) enthalten den Faktor 2, der als Šsthetische Stšrung empfunden werden kann.

Wir kšnnen ihn loswerden, indem wir die blauen Quadrate halbieren (Abb. 13).

 

Abb. 13: Blau = rot

 

Nun sind wir den Faktor 2 los, dafŸr haben wir einerseits rote Quadrate und andererseits blaue rechtwinklig gleichschenklige Dreiecke.

Der Autor hat diese Figur als Sangaku in Bonn gesehen. Sie war der Auslšser zu den vorliegenden †berlegungen.

Wir kšnnen auch die roten Quadrate halbieren und die blauen Quadrate vierteilen gemŠ§ Abbildung 14. Dann haben wir ausschlie§lich rechtwinklig gleichschenklige Dreiecke.

 

Abb. 14: Blau = rot

 

6     Schiefer Pythagoras

Die Abbildung 15 zeigt dasselbe wie die Abbildung 14, aber ohne ZusŠtze.

 

Abb. 15: Blau = rot

 

Im Folgenden einige Eigenschaften der Figur der Abbildung 15.

6.1    Umkreise

Die Umkreise (Thaleskreise) der vier rechtwinklig gleichschenkligen Dreiecke verlaufen durch einen gemeinsamen Punkt (Abb. 16).

 

Abb. 16: Umkreise

 

Den Grund dafŸr werden wir gleich einsehen.

6.2    Diagonalen

Wir zeichnen zwei Diagonalen (ãDurchmesserdiagonalenÒ) gemŠ§ Abbildung 17.

 

Abb. 17: Diagonalen

 

Die beiden Diagonalen sind gleich lang und orthogonal. FŸr den Beweis verwenden wir die beiden in der Abbildung 18 grau eingezeichneten Dreiecke. Diese gehen durch eine Drehung um 90¡ um den gemeinsamen Punkt der beiden roten rechtwinklig gleichschenkligen Dreiecke auseinander hervor.

 

Abb. 18: Beweisdreiecke

 

Damit ist auch die Schnittpunkteigenschaft der vier Umkreise (Abb. 16)  bewiesen.

6.3    Inversion

Wir klappen die beiden roten rechtwinklig gleichschenkligen Dreiecke nach au§en und dafŸr die beiden blauen nach innen (Abb. 19).

 

Abb. 19: Inversion

 

Die beiden blauen Dreieck haben die Spitze gemeinsam. FŸr den Beweis zeichnen wir die beiden Thaleskreise Ÿber den Basen der blauen Dreiecke (vgl. Abb. 16). Diese Thaleskreise verlaufen durch den Schnittpunkt der beiden orthogonalen Diagonalen gleicher LŠnge. Sie haben aber noch einen zweiten Schnittpunkt. Die beiden in der Abbildung 20 braun eingezeichneten Dreiecke mit einem gemeinsamen Eckpunkt in diesem zweiten Schnittpunkt sind daher rechtwinklig.

 

Abb. 20: Zweiter Schnittpunkt der Thaleskreise

 

Um zu zeigen, dass sie auch rechtwinklig sind, arbeiten wir mit den beiden in der Abbildung 21 eingezeichneten grauen Dreiecken.

 

Abb. 21: Die beiden grauen Dreiecke

 

Entsprechende Seiten dieser beiden grauen Dreiecke stehen je orthogonal zueinander. Die beiden grauen Dreiecke sind also Šhnlich. Da sie aber zudem in einer Seite (den gleich langen orthogonalen Diagonalen) Ÿbereinstimmen, sind sie sogar kongruent. Daher sind die beiden braunen Dreiecke rechtwinklig gleichschenklig. Sie stimmen mit den eingeklappten blauen Dreiecken Ÿberein.

Die beiden in der Abbildung 22 eingezeichneten grŸnen Dreiecke sind zunŠchst untereinander flŠchengleich. Der Beweis geht analog zur FlŠchengleichheit der beiden gelben Dreiecke (Abb. 4).

 

Abb. 22: FlŠchengleiche grŸne Dreiecke

 

Wegen der FlŠchengleichheit von rot zu blau und der Invarianz des durch die beiden orthogonalen Diagonalen aufgespannten Viereckes sind die grŸnen Dreiecke auch flŠchengleich zu den gelben Dreiecken.

6.4    Noch mehr Diagonalen

In der Figur der Abbildung 23 sind zwei weitere Diagonalen eingezeichnet.

 

Abb. 23: Zwei weitere Diagonalen

 

Diese langen Diagonalen verlaufen ebenfalls durch den Schnittpunkt der kurzen Diagonalen, schneiden diese unter Winkeln von 45¡ und sind  mal so lang wie die kurzen Diagonalen. Wir zeigen dies exemplarisch fŸr diejenige lange Diagonale, welche die beiden Au§enecken der blauen Dreiecke verbindet (Abb. 24).

 

Abb. 24: Beweisfigur

 

Das kleine graue Dreieck kann auf das gro§e graue Dreieck abgebildet werden mit einer Drehstreckung um den zweiten Schnittpunkt der beiden Thaleskreise. Der Drehwinkel ist 45¡, der Streckfaktor .

Die Abbildung 25 zeigt zum Vergleich ein quadratisches Arrangement mit denselben Winkel- und LŠngenverhŠltnissen bei den Diagonalen.

 

Abb. 25: Quadratisches Arrangement

 

Bei der Abbildung 23 haben wir es mit einem schiefen Quadrat zu tun.

6.5     

6.6    Parkett

Wir kšnnen die Figur der Abbildung 15 zu einem Parkett erweitern (Abb. 26). Die dabei entstehenden neuen Zwischendreiecke sind grŸn markiert. Die grŸnen Zwischendreiecke sind flŠchengleich zu den gelben.

 

Abb. 26: Parkett

 

In dieser Parkettierung fallen einerseits rot-gelbe Vierecke auf und andererseits blau-grŸne Vierecke an. Die beiden Vierecktypen haben punktsymmetrische Umrisse, aber unterschiedliche Binnenunterteilungen.