Hans Walser, [20210316]

VerschnŸrung

Anregung: Jentsch et alii 2021

1     Worum geht es?

Stabile, indifferente und labile VerschnŸrungen

2     Das Beispiel

In Jentsch et alii (2021), S. 117, sticht eine Figur fast sprichwšrtlich ins Auge. Es geht um Folgendes: ãZwei Geschenkschachteln sind mit BŠndern verschnŸrt, wie unten dargestellt. Schachtel A ist ein WŸrfel mit der SeitenlŠnge 10 cm. Schachtel B ist ein Zylinder, dessen Hšhe und Durchmesser ebenfalls 10 cm betragen.

FŸr welche der beiden Schachteln wird mehr Band benštigt?

ErklŠren Sie, wie Sie zu der Antwort gekommen sind.Ò

Die Abbildung 1 zeigt eine Nachzeichnung des Autors, wobei die offensichtlichen Ungereimtheiten der Originalzeichnung stillschweigend korrigiert wurden.

Abb. 1: VerschnŸrungen

Zur pŠdagogischen Befriedigung der Lehrperson muss man natŸrlich sagen, dass A (der WŸrfel also) mehr Band braucht, wie man durch Ineinanderstellen der beiden Schachteln sofort sieht (Abb. 2). Der WŸrfel braucht einen lŠngeren Bauchgurt.

Abb. 2: Der WŸrfel braucht mehr Band

So weit so gut.

3     Wer keine Vergangenheit hat, hat keine Zukunft

Jede und jeder von uns hat seit ihrer oder seiner Jugend schon einige verschnŸrte wŸrfelfšrmige und allgemein viele verschnŸrte quaderfšrmige Geschenkschachteln erhalten oder verschenkt.

Ich gestehe aber, dass ich in meinem Leben noch keine einzige verschnŸrte zylinderfšrmige Schachtel gesehen habe. Um dies in etwa nachzuholen, habe ich versucht eine zylinderfšrmige Farbdose zu verschnŸren. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dies noch nie versucht haben, geht Ihnen die Betroffenheitskompetenz ab, den Rest dieser Glosse zu lesen.

Die Schnur rutschte immer wieder ab. Am Schluss ging es dann noch, aber nur, weil die schon recht rostige Farbdose einen hohen Haftreibungskoeffizienten gegenŸber der Schnur hatte.

Bei der VerschnŸrung des Zylinders haben wir es mit einer am Schreibtisch ausgedachten ãLehreraufgabeÒ zu tun. Sie ist in der Schule durchaus lšsbar, im Alltag kaum.

Anders ist die Situation bei der Verwendung von Klebestreifen anstelle der BŠnder.

4     Indifferente und labile VerschnŸrungen

 

Abb. 3: Verschieben des Bauchgurtes

Wenn wir den Bauchgurt der beiden VerschnŸrungen etwas nach oben oder nach unten verschieben, Šndert sich seine LŠnge nicht (Abb. 3).

Anders sieht die Sache aus beim Verschieben einer der beiden anderen Schlingen um die Schachteln (Abb. 4).

Abb. 4: Verschieben einer anderen Schlinge

Beim WŸrfel Šndert sich nach wie vor nichts.

Beim Zylinder aber kann die verschobene Schlinge verkŸrzt werden oder anders gesagt, die bisherige Schlinge ist zu lang, wird locker und rutscht ab.

Beim WŸrfel haben wir somit eine VerschnŸrung, die gegen kleine Verschiebungen indifferent ist.

Beim Zylinder hingegen haben wir eine labile VerschnŸrung. Bei der kleinsten Verschiebung rutscht sie ab.

Nun ja, eine stabile VerschnŸrung ergibt sich etwa bei der sprichwšrtlichen Schlinge um den Hals. Eine todsichere Sache.

Die Abbildung 5a zeigt eine labile VerschnŸrung des WŸrfels.

Abb. 5: Labile WŸrfelverschnŸrung. Lockere Schlingen

In der Abbildung 5b sind einige Schlingen nicht angespannt und zu lang. Sei werden sofort locker.

5     Vernetzung

Wir kšnnen die einzelnen Schlingen an den Kreuzungsstellen verknoten (Abb. 6).

Abb. 6: Netz

Dadurch entsteht ein der Schachtel angepasstes Netz, bei dem das Abrutschen durch die Knoten verhindert wird. Das ist ein anderes Paar Stiefel.

 

Literatur

Jentsch, Armin & Schlesinger, Lena & Heinrichs, Hannah & Kaiser, Gabriele & Kšnig, Johannes & Blšmeke, Sigrid (2021): Erfassung der fachspezifischen QualitŠt von Mathematikunterricht: Faktorenstruktur und ZusammenhŠnge zur professionellen Kompetenz von Mathematiklehrpersonen. Journal fŸr Mathematik-Didaktik, 42, 79-121.