Hans Walser, [20161123]
Viereck-Viertelung
Anregung: Heinz Klaus Strick, Leverkusen
Welche Vierecke lassen sich von einem inneren Punkt aus mit geraden Verbindungen zu den vier Ecken in vier flŠchengleiche Dreiecke zerlegen?
Triviale Lšsungen sind Quadrat, Rechteck, Rhombus oder allgemein Parallelogramm mit dem Diagonalenschnittpunkt als innerem Punkt. Eine weitere Lšsung ist das Drachenviereck mit dem Mittelpunkt der Symmetrieachse als innerem Punkt.
Unter einem schiefen Drachenviereck verstehe ich ein affines Bild eines Drachenvierecks (Abb. 1). Eine der beiden Diagonalen wird durch die andere Diagonale halbiert.
Abb. 1: Schiefer Drachen
Ein schiefer Drachen kann ausgehend vom Mittelpunkt derjenigen Diagonalen, welche die andere Diagonale halbiert, in vier flŠchengleiche Dreiecke zerlegt werden (Abb. 1b).
Die oben erwŠhnten trivialen Lšsungen sind SonderfŠlle von schiefen Drachen.
Wir werden sehen, dass das auch schon alles ist.
Ein Viereck lŠsst sich genau dann von einem inneren Punkt aus mit geraden Verbindungen zu den vier Ecken in vier flŠchengleiche Dreiecke zerlegen, wenn es ein schiefes Drachenviereck ist.
Der Beweis in der einen Richtung ist einfach. Die vier Dreiecke in der Abbildung 1b haben gleich lange Grundlinien und gleich lange Hšhen.
FŸr die andere Richtung ist zu zeigen: Ein Viereck, das von einem inneren Punkt aus mit geraden Verbindungen zu den vier Ecken in vier flŠchengleiche Dreiecke zerlegt werden kann, ist ein schiefes Drachenviereck. Dazu mšchte ich etwas weiter ausholen.
Die in unserem Theorem vorkommenden Begriffe und Methoden sind affin invariant.
Wir kšnnen daher ein beliebiges Viereck durch eine affine Abbildung in eine Standardsituation bringen wie folgt. Das Seitenmittenparallelogramm soll auf ein Quadrat der SeitenlŠnge 1 abgebildet werden.
Die beiden Diagonalen stehen dann orthogonal aufeinander und haben je die LŠnge 2. Das Viereck hat daher den FlŠcheninhalt 2.
Wir passen ein kartesisches Koordinatensystem mit den Achsen auf den beiden Diagonalen ein. Es sei der Mittelpunkt der Diagonalen AC und der Mittelpunkt der Diagonalen BD. Wegen der DiagonalenlŠnge 2 erhalten wir die Situation der Abbildung 2.
Abb. 2: Standardisierte Situation im Koordinatensystem
Da das ganze Viereck den FlŠcheninhalt 2 hat, mŸssen die Teildreiecke bei FlŠchengleichheit je den FlŠcheninhalt ½ haben.
Wir wŠhlen nun einen Punkt im Innern des Viereckes ABCD und berechnen formal die FlŠcheninhalte der Teildreiecke.
(1)
Analog:
(2)
(3)
(4)
Die FlŠcheninhalte der Teildreiecke hŠngen linear von x und y ab.
Wir suchen eigentlich Punkte , fŸr welche die vier FlŠcheninhalte (1) bis (4) gleich sind. Vorerst aber ein etwas einfacheres Problem.
Wir suchen vorerst Punkte fŸr welche gilt:
(5)
Einsetzen von (1) bis (4) in (5) gibt:
(6)
Das ist die Gleichung der Geraden g, welche durch und verlŠuft.
FŸr einen beliebigen Punkt P auf dieser Geraden g erhalten wir also vier Dreiecke, deren alternierende FlŠchensumme verschwindet. Das gilt nicht nur im standardisierten Fall sondern auch im allgemeinen Viereck (Abb. 3). Die FlŠchensumme der roten Dreiecke ist gleich der FlŠchensumme der hellblauen Dreiecke.
Abb. 3: Rot = Hellblau
Dieses Resultat ist der Satz von Anne (Humenberger und Schuppar 2016). Die Gerade g wird als Newtongerade bezeichnet.
Der Satz von Anne liefert zwar nicht vier flŠchengleiche Teildreiecke, aber immerhin zwei Paare je gegenŸberliegender Teildreiecke, deren paarweisen FlŠchensummen gleich sind.
Das hei§t aber, dass fŸr unsere Fragestellung nach vier flŠchengleichen Teildreiecken der Punkt P, falls er Ÿberhaupt existiert, auf der Geraden g liegen muss.
Aus der Bedingung
(7)
erhalten wir durch Einsetzen von (1) und (2):
(8)
Subtraktion von (6) liefert:
(9)
Wir machen nun eine Fallunterscheidung bezŸglich m.
Erster Fall:
In diesem Fall ist wegen (6) , das hei§t P = M. Wegen erhalten wir durch Einsetzen der Werte x = m und y = 0 in (1) die Bedingung n = 0. Der Punkt N ist also der Ursprung und das standardisierte Viereck ABCD ein Drachenviereck mit der x-Achse als Symmetrieachse. Das ursprŸngliche Viereck ist ein schiefes Drachenviereck.
Zweiter Fall: m = 0
Der Punkt M ist der Ursprung. Wegen (9) ist x = 0 und wegen (6) y = n, das hei§t P = N. Das standardisierte Viereck ist ein Drachenviereck mit der y-Achse als Symmetrieachse, das ursprŸngliche Viereck ein schiefes Drachenviereck.
Damit ist das Theorem in beiden Richtungen bewiesen.
Literatur
Humenberger, Hans und Schuppar, Berthold
(2016): FlŠchenausgleich bei Wei§ und Grau in Vierecken – der Satz von Anne und sein Umfeld. MU, Der Mathematikunterricht.
Jahrgang 62. Heft 5-2016. S. 26-36.