Kartografie Grundzüge

 

 

 

Hans Walser

Koordinatensysteme und Transformationen

 

Inhalt

 

1      Koordinatensysteme

1.1       Kartesische Koordinaten

1.2       Geografische Koordinaten

1.3       Kartesische Koordinaten im Raum

1.4       Polarkoordinaten

1.5       Kugelkoordinaten

1.6       Maßstab eins zu eins? Verzerrungsellipsen

2      Transformationen

2.1       Einführungsbeispiel

2.2       Zentrische Streckung. Skalierung

2.3       Ungleiche Skalierungen

2.4       Rotation

2.5       Translation

2.6       Verknüpfung von Transformationen

2.7       Beispiel einer quadratischen Abbildung

3      Zusammenfassung

3.1       Koordinaten

3.1.1        Kartesische Koordinaten

3.1.2        Polarkoordinaten

3.1.3        Kugelkoordinaten

3.2       Transformationen

 

 

Modul 4 für die Lehrveranstaltung Kartografie Grundzüge

 

Herbst 2018    Erstausgabe

Herbst 2019    Kleinere Korrekturen

Herbst 2022    Grafische Überarbeitung. Einfügen von Animationen. Ausarbeitung als html.

 

last modified: 18. Mai 2022

 

ETH Zürich

Institut für Kartografie und Geoinformation (IKG)

Stefano-Franscini-Platz 5

CH-8093 Zürich

 

Hans Walser

www.walser-h-m.ch/hans

 


1    Koordinatensysteme

1.1    Kartesische Koordinaten

Von der Schule her kennen wir das klassische kartesische Koordinatensystem in der Ebene. Die positive x-Achse muss um +90° gedreht werden, um auf die positive y-Achse zu gelangen.

Koordinatensystem

Es gibt allerdings auch Situationen, wo der Ursprung links oben ist, so dass die y-Achse nach unten verläuft (in den meisten Tabellen ist es so).

1.2    Geografische Koordinaten

Die geografischen Koordinaten werden traditionellerweise mit geografischer Länge und geografischer Breite bezeichnet. Dies widerspricht allerdings den zugeordneten Maßeinheiten (Degree oder Radian), welche für Winkel gebräuchlich sind.

Geografische Länge und Breite

Auf der klassischen Plattkarte können diese Koordinaten als Längen wie die x- und y-Koordinaten abgetragen werden. Es spielt auch keine Rolle, ober wir „unten durch“ oder „oben durch“ arbeiten.

Unten durch und oben durch

Auf der Erdkugel sieht die Situation aber anders aus.

Auf der Erdkugel

Die geografischen Koordinaten sind in Wirklichkeit Winkel.

Die geografische Länge ist der Drehwinkel der Drehung der Meridiane um die Erdachse. Die geografische Breite hat mit dem Kegel zu tun, der seine Spitze im Erdmittelpunkt hat und dessen Leitkreis der zugeordnete Breitenkreis ist. Die geografische Breite ist der Komplementwinkel des halben Öffnungswinkels des Kegels auf 90°.

          Ein Bild, das Zubehör, Regenschirm enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Geografische Länge und Breite als Winkel

Geografische Länge und Breite

1.3    Kartesische Koordinaten im Raum

Im Raum brauchen wir drei Achsen. Üblicherweise wird ein Rechtssystem verwendet. Durch Einzeichnen einer Hilfsfigur, zum Beispiel des Einheitswürfels oder der Erdkugel, kann auch in einer 2d-Darstellung entschieden werden, ob es sich um ein Rechtssystem oder ein Linkssystem handelt.

Koordinatensystem im Raum. Rechtssystem

Koordinatensystem mit Erdkugel

Die folgende Abbildung zeigt ein Linkssystem. Wir haben eine Untersicht oder Froschperspektive

Linkssystem

PovRay verwendet ebenfalls ein Linkssystem. Die z-Achse geht nach hinten.

Linkssystem von PovRay

1.4    Polarkoordinaten

Polarkoordinaten sind sozusagen „natürliche“ Koordinaten zur Orientierung: „In dieser Richtung und so weit“.

Es ist  und .

Polarkoordinaten

Die Umrechung von Polarkoordinaten auf kartesische Koordinaten ist einfach:

 

 

 

Für die Umrechung von kartesischen Koordinaten auf Polarkoordinaten ist der Polarabstand r einfach:

 

 

 

Hingegen macht der Polarwinkel  Probleme, es braucht bei Verwendung des Arkustangens Fallunterscheidungen:

 

 

 

 

 

Mit dem Arkuskosinus braucht es nur zwei Fallunterscheidungen:

 

 

 

 

 

Ohne Fallunterscheidung geht es unter Verwendung der Signum-Funktion (Vorzeichenfunktion):

 

 

 

 

 

Signum-Funktion

Einige Programmiersprachen verwenden die Schreibweise  für die Signum-Funktion.

Damit können wir den Polarwinkel wie folgt berechnen:

 

 

 

 

 

Natürlich haben wir lediglich die Fallunterscheidung in die Signum-Funktion versteckt.

1.5    Kugelkoordinaten

Die Kugelkoordinaten oder sphärischen Koordinaten orientieren sich an den geografischen Koordinaten. Es ist:

 

 , , .

 

 

 

 

Kugelkoordinaten

Für die Umrechnung in kartesische Koordinaten ergänzen wir die Figur:

Umrechung in kartesische Koordinaten

Wir erhalten:

 

 

 

 

In der umgekehrten Richtung gilt:

 

 

 

 

 

Wir haben beim  das Theater mit den Fallunterscheidungen.

Beispiel: Welche Kugelkoordinaten hat der Punkt P der folgenden Abbildung?

Kugelkoordinaten des Punktes P?

Der Punkt hat die kartesischen Koordinaten P(1,1,1). Daraus ergibt sich:

 

 

 

 

 

1.6    Maßstab eins zu eins? Verzerrungsellipsen

Wir gehen aus von einer Plattkarte, von der wir annehmen, dass das Bild des Äquators 40 cm messe.

Plattkarte

Am Äquator haben wir dann in West-ost-Richtung einen Maßstab 1 : 100'000'000. Denselben Maßstab haben wir auch auf jedem Meridian in Süd-Nord-Richtung.

Auf den Breitenkreisen ist die Situation aber anders. Der Breitenkreis für 60°N ist in Wirklichkeit nur halb so lang wie der Äquator, aber auf unseren Karte gleich lang gezeichnet.

Daher ist sein Maßstab in West-Ost-Richtung doppelt so groß, also 1 : 50'000'000.

Je näher wir an die Pole kommen, umso größer wird der Maßstab in West-Ost-Richtung.  An den Polen selber ist er 1 : 0, also „unendlich“. In einem Abstand von (in Wirklichkeit) 6.37cm vom Nordpol ist der Maßstab tatsächlich 1 : 1. Dies ist auf der geografischen Breite 89°59’59.998“.

Wenn wir uns auf der Erde eine runden Swimming-Pool vorstellen, den wir mit-kartografieren, wird sein Bild in der West-Ost-Richtung auseinandergezogen, und zwar umso stärker, je mehr wir uns den Polen nähern. Die Bildkurve kann gut durch eine Ellipse dargestellt werden. Damit das Bild des sehr kleinen Swimming-Pools auf der Karte überhaupt sichtbar ist, wird es noch gezoomt.

Eine solche  Ellipse heißt Verzerrungsellipse oder Tissot-Indikatrix.

Plattkarte mit Verzerrungsellipsen

Verzerrungsellipsen

Orthografische Projektion mit Verzerrungsellipsen

Herzkarte mit Verzerrungsellipsen

Die Idee der Verzerrungsellipse basiert auf einem „kleinen“ Kreis. Ein Swimming-Pool im Garten ist ja im Verhältnis zur Erdkugel sehr klein. Mathematisch arbeitet man mit einem infinitesimal kleinen Kreis, dessen Bild dann auf der Karte vergrößert wird.

Echte Kreise (Distanzkreise, Radius gemessen auf der Kugeloberfläche) sind auf der Plattkarte nicht ellipsenförmig.

Distanzkreise auf der Plattkarte

2    Transformationen

2.1    Einführungsbeispiel

Wir arbeiten mit den Abbildungsgleichungen:

 

 

 

 

Das heißt, dass jedem Punkt  ein Bildpunkt  zugeordnet wird.

Beispiel:

 

 

 

 

Sehr oft werden die Abbildungsgleichungen in Matrixform dargestellt:

 

 

 

 

 

Kurzform:

 

 

 

 

 

In unserem Beispiel:

 

 

 

 

Bilder der Einheitsvektoren:

 

 

 

 

Bilder der Einheitsvektoren

 

 

 

 

Die Spalten der Abbildungsmatrix sind die Bilder der Einheitsvektoren.

Bild des Einheitsquadrates

Die Determinante der Abbildungsmatrix:

 

 

 

 

Die Determinante der Abbildungsmatrix ist betragsmäßig der Flächenmaßstab. Das Vorzeichen der Determinante gibt an, ob die Orientierung geändert wird.

Bild eines Quadratrasters

Im Raster können wir grafisch verifizieren, dass zum Beispiel:

 

 

 

 

Statt einzelner Punkte können wir eine ganze Figur abbilden:

Urbild und Bild

2.2    Zentrische Streckung. Skalierung

Wir strecken in jeder Richtung um den gleichen Faktor.

 

 

 

 

Die Abbildungsmatrix ist eine so genannte Diagonalmatrix mit lauter gleichen Elementen in der Diagonalen:

 

 

 

 

Zentrische Streckung

2.3    Ungleiche Skalierungen

 

 

 

 

Die Abbildungsmatrix ist eine Diagonalmatrix:

 

 

 

 

Unterschiedliche Skalierungen

Aus Kreisen werden Ellipsen (so genannte Verzerrungsellipsen oder Tissot-Indikatrizen).

2.4    Rotation

Für eine Rotation um den Ursprung um den Winkel  benötigen wir die Abbildungsgleichungen:

 

 

 

 

Wir haben die Abbildungsmatrix:

 

 

 

 

Bild der Einheitsvektoren:

Rotation: Bild der Einheitsvektoren

Beispiel:

Rotation

Bei allen bisherigen Abbildungen blieb der Ursprung ortsfest, war also ein so genannter Fixpunkt. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir in den Abbildungsgleichungen zusätzliche additive Summanden einführen.

Das folgende Beispiel erläutert die Situation für die Abbildungsgleichungen:

 

 

 

 

Wir haben einen Translationsvektor:

 

.

 

 

 

Rotation und Translation

2.5    Translation

Eine reine Translation ohne weitere Transformation ist gegeben durch:

 

 

 

 

Wir haben den Translationsvektor

 

 

 

 

2.6    Verknüpfung von Transformationen

Transformationen können verknüpft werden, indem der Output der ersten Transformation als Input der zweiten Transformation verwendet wird.

Die neue Abbildungsmatrix ist das Produkt der beiden einzelnen Abbildungsmatrizen.

Die Reihenfolge der Verknüpfung ist in der Regel nicht vertauschbar.

2.7    Beispiel einer quadratischen Abbildung

Abbildungsgleichungen:

 

 

 

 

    

Quadratische Abbildung

 

 

3    Zusammenfassung

3.1    Koordinaten

3.1.1    Kartesische Koordinaten

Im Raum gibt es Rechtssysteme und Linkssysteme.

3.1.2    Polarkoordinaten

Polarkoordinaten —> kartesische Koordinaten:

 

 

 

 

Umgekehrte Richtung:

 

 

 

 

3.1.3    Kugelkoordinaten

Kugelkoordinaten —> kartesische Koordinaten:

 

 

 

 

Umgekehrte Richtung:

 

 

 

 

3.2    Transformationen

Translation:

 

           

 

 

 

Skalierung mit gleichen Faktoren:

 

           

 

 

 

Skalierung mit ungleichen Faktoren:

 

           

 

 

 

Rotation um den Ursprung um den Winkel :

 

 

 

 

Reihenfolge der Transformationen in der Regel nicht vertauschbar.