Hans Walser
Invariante Flächensummen
Österreichische
Fortbildungstagung für Geometrie
11. – 13. November 2021, Strobl am Wolfgangsee
Abstract
Einige geometrische Sätze, insbesondere der Satz des Pythagoras, werden unter dem Aspekt der invarianten Flächensumme untersucht. Diese neue Sichtweise ermöglicht ein ganzes Feld von Verallgemeinerungen und zugehörigen Illustrationen.
Der Witz des Satzes von Pythagoras ist nicht, wie man in der Schule ausgiebig lernt, dass a2 + b2 = c2 ist, sondern dass a2 + b2 = a2 + b2 ist, auch wenn in der Zwischenzeit der Punkt C auf dem Thaleskreis bewegt wurde (Abb. 1). Die Invarianz der Flächensumme der beiden Kathetenquadrate also. Das c2 ergibt sich dann als Grenzfall.
Abb. 1: Das eine gibt, das andere nimmt
Animation 1: Lakritze
Eine invariante Flächensumme von zwei Quadraten gibt es auch auf der Sinuskurve (Abb. 2).
Abb. 2: Die Fahrt auf der Sinuskurve
Animation 2: Die Fahrt auf der Sinuskurve
Die Länge der blau eingezeichneten Basis ist die halbe Periodenlänge.
Es geht auch mit fünf Quadraten (Abb. 3).
Abb. 3: Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen saß
Animation 3: Als ich das erste Mal auf dem Dampfwagen sass
Die blaue Basislänge ist wiederum die halbe Periodenlänge. Dass es schon mit der halben Periodenlänge geht, hat mit der Schubspiegelsymmetrie zu tun (Abb. 4).
Abb. 4: Schubspiegelsymmetrie
Abb. 5: Achterbahn mit blauer Lok
Animation 5: Achterbahn
Die Lok schrammt knapp am letzten Wagen vorbei (Abb. 6). Hat natürlich mit der halben Periodenlänge zu tun.
Abb. 6: Die Lok schrammt knapp am letzten Wagen vorbei
Wer den Dreistern (Abb. 7) räumlich sieht und sich wundert, dass die Quadrate aufgestellt sind, ist selber schuld. Die drei bewegten Quadratecken fahren auf einer Ellipse.
Abb. 7: Externer Pivot
Animation 7: Externer Pivot
Für den Nachweis der invarianten Flächensummen sind die folgenden Formeln hilfreich.
Sowie
Der Beweis läuft über regelmäßige n-Ecke.
Für n = 3 sind wir in der Situation des Dreiphasenstroms. Da die Spannungssumme null ist, braucht es keinen Rücklauf. Daher ist die Anzahl der Drähte bei Überlandleitungen immer ein Vielfaches von drei (Abb. 8).
Abb. 8: Überlandleitung
In der Schule wird der Satz des Pythagoras oft mit horizontaler Hypotenuse dargestellt (Abb. 9). Der Punkt C bewegt sich auf dem Thaleskreis. Dies entspricht dem antiken Weltbild mit einer festen horizontalen Erde (die Hypotenuse) und einer Sonne C welche bei A im Osten aufgeht, den Sonnenkreis beschreibt und dann im Westen bei B untergeht.
Abb. 9: Klassische Darstellung
Animation 9: Klassische Darstellung
Nun ja, und in der Nacht geht sie untendurch zurück (Abb. 10).
Abb. 10: Pythagoras bei Nacht
Animation 10: Pythagoras bei Nacht
Der Punkt C bleibt fest, die Hypotenuse dreht sich (Abb. 11).
Abb. 11: Umgekehrte Sicht. Propeller
Animation 11: Umgekehrte Sicht. Propeller
Das geht auch, wenn der Punkt C weiter weg ist (Abb. 12) (Sätze von Apollonios und al Sijzi). Wir haben dann kein rechtwinkliges Dreieck mehr.
Abb. 12: Kein rechtwinkliges Dreieck
Animation 12: Kein rechtwinkliges Dreieck
Natürlich könnte man auch die Grundlinie AB festhalten und C auf einem Kreis um den Mittelpunkt der Grundlinie variieren.
Die Figur aus den Punkten A1, ... , An dreht sich um ihren Schwerpunkt S. Weiter sei C ein externer fester Punkt. Dann ist die Summe der Quadrate der Abstände von C zu den Punkten A1, ... , An invariant.
Hier ein Beispiel mit drei Punkten (Abb. 13).
Abb. 13: Drehen um Schwerpunkt
Animation 13: Drehen um Schwerpunkt
Beweis: Wir setzen Ak:(xk, yk), k = 1, ... , n. Den Schwerpunkt S setzen wir in den Ursprung, also S:(0, 0). Somit ist:
Weiter sei C:(xC, yC). Für die Summe der Quadrate der Abstände von C zu den Punkten A1, ... , An gilt:
Abb. 14: Einfachstes Beispiel. Rot = blau
Bei einem Dreieck ABC (Abb. 14a) erhalten wir:
Der Sachverhalt kann gemäß Abbildung 14b visualisiert werden.
Im Sonderfall eines rechtwinkligen Dreieckes wird der blaue Teil zum Hypotenusenquadrat und wir erhalten den Satz des Pythagoras zurück.
Wir zerlegen das Dreieck durch die Schwerlinie sc in zwei Teile (Abb. 15a). Diese Teile können wir in anderer Anordnung oben ansetzen (Abb. 15b). Das Dreieck kann mit einem Gelenk umgeklappt werden (Abb. 16).
Abb. 15: Umbau der Figur
Abb. 16: Umklappen des Dreiecks
Nun können wir die blauen Quadrate anders anordnen (Abb. 17).
Abb. 17: Andere Anordnung der blauen Quadrate
Schließlich bauen wir die blauen Rechtecke in Quadrate um (Abb. 18).
Abb. 18: Umbau der Rechtecke. Schließungsfigur
Erstaunliches geschieht. Die blauen Quadrate haben ebenfalls eine Ecke gemeinsam, wie die roten.
Auf Grund unserer Herleitung ist die Flächensumme der blauen Quadrate gleich der Flächensumme der roten.
Die Figur der Abbildung 18b hat einige merkwürdige Eigenschaften. Die Umkreise der vier Quadrate verlaufen durch einen gemeinsamen Punkt (Abb. 19a). Ihre Mittelpunkt, also auch die Mittelpunkte der vier Quadrate, bilden ein fünftes Quadrat (Abb. 19b).
Abb. 19: Umkreise
Die Diagonalverbindungen der Außenecken sind orthogonal und gleich lang (Abb. 20a). Ihre Mittelpunkte sind die Kontaktpunkte gleichfarbiger Quadrate. Die Diagonalen schneiden sich im gemeinsamen Schnittpunkt der vier Umkreise. Die Diagonalverbindungen der rot-blau-Gelenkpunkte sind ebenfalls orthogonal und gleich lang und schneiden sich ebenfalls im gemeinsamen Schnittpunkt (Abb. 20b). Zu den Diagonalen der Außenecken haben sie einen Winkel 45°. Das Längenverhältnis der langen Diagonalen zu den kurzen ist die Quadratwurzel aus 2.
Abb. 20: Diagonalen
Die Abbildung 21 zeigt die Papillon-Spirale.
Abb. 21: Papillon-Spirale
Last modified: 12. August 2021
Websites
Hans Walser: Invariante
Flächensummen. Vortragsseite
http://www.walser-h-m.ch/hans/Vortraege/20211111-13/index.html