Hans Walser
Einmal mehr: das
rechtwinklige Dreieck
Vortrag am 115. MNU
Bundeskongress an der Ruhr-Universität Bochum, 1. bis 4. Mai 2025
Zusammenfassung
Im Umfeld des
rechtwinkligen Dreiecks gibt es weit mehr Flächensätze als nur den Satz des Pythagoras
und den Höhensatz. Im Vortrag werden einige dem Autor bisher unbekannte
Flächensätze vorgestellt, insbesondere solche, bei denen der Flächeninhalt des
Dreieckes und sein Inkreis eine zentrale Rolle spielen. Die
Flächeneigenschaften lassen sich einfach formulieren und mit
GeoGebra-Animationen illustrieren. Dabei kann auch auf den Unterschied zwischen
dynamischer und kinematischer Geometrie eingegangen werden. Die Beweise sind
mit Methoden der Sekundarstufe 1 durchführbar.
Wir beginnen mit
einem rechtwinkligen Dreieck und seinem Inkreis.
Rechtwinkliges
Dreieck mit Inkreis
Der Berührungspunkt
des Inkreises mit der Hypotenuse unterteilt diese in zwei Abschnitte. Wir
bilden das Rechteck aus diesen beiden Hypotenusenabschnitten.
Rechteck aus
den Hypotenusenabschnitten
Das Dreieck und das
Rechteck haben denselben Flächeninhalt. [Die Maßangaben beziehen sich auf den
Radius 1 des Thaleskreises.]
Gleicher
Flächeninhalt
Wir bezeichnen die Katheten mit a und b. Für die Hypotenuse c gilt nach dem Satz des Pythagoras c = √(a2+ b2). Weiter sei s der halbe Umfang des Dreieckes, also s = ½(a + b +c). Die beiden Hypotenusenabschnitte haben die Länge (s – a) und (s – b). Dies ergibt sich aus der Theorie des Inkreises im Dreieck.
Für den Flächeninhalt des blauen Rechteckes erhalten wir somit:
Flächeninhalt des
blauen Rechteckes = (s – a)(s – b)
= s2 – sa – sb + ab
= ¼(a2 + b2
+ c2 + 2ab + 2ac + 2bc) – ½(a2
+ ab + ac) – ½(ab + b2
+ bc) + ab
= ¼(a2 + b2
+ a2 + b2 + 2ab + 2ac + 2bc)
– ½(a2 + ab + ac) –
½(ab + b2 + bc) + ab
= ¼(2a2 + 2b2
+ 2ab + 2ac + 2bc) – ½(a2 + ab + ac) – ½(ab + b2 + bc) + ab
= ½(a2 + b2
+ ab + ac + bc)
– ½(a2 + ab + ac) –
½(ab + b2 + bc) + ab
= ½ab
Das gelbe
rechtwinklige Dreieck hat ebenfalls den Flächeninhalt ½ab. Damit ist die
Flächengleichheit gezeigt.
Die Tangentenabschnitte an den Inkreis finden sich auch auf je einer Kathete.
Tangentabschnitte
Damit können wir das blaue Rechteck auch anders einpassen.
Andere Einpassung
Eine Ecke des blauen Rechtecks ist nun der Inkreismittelpunkt.
Allerdings überlappen sich nun das Dreieck und das Rechteck.
Überlappung
Wir können die Überlappung in zwei rechtwinklige Dreiecke aufteilen.
Aufteilung der Überlappung
Diese Dreiecke können wir unterhalb der Wasserlinie wieder einsetzen.
Einsetzen
Optisch sieht das gut aus. Wir müssen uns aber überlegen, ob das wirklich stimmt.
Die beiden grünen Dreiecke haben je einen rechten Winkel. Ferner haben sie zwei Scheitelwinkel gemeinsam. Somit sind die beiden grünen Dreiecke zunächst mal ähnlich. Sie haben aber auch zwei gleichlange Katheten von der Länge des Inkreisradius. Daher sind die beiden grünen Dreiecke kongruent. Analog für die beiden magenta Dreiecke.
Durch das Abschneiden der Überlappung und versetztes Einsetzen sehen wir die Flächengleichheit des gelben rechtwinkligen Dreieckes mit dem blauen Rechteck.
Flächengleichheit
Die folgende Figur könnte bei oberflächlichem Hinsehen mit der Figur des Höhensatzes verwechselt werden. Der Berührpunkt des Inkreises ist aber in der Regel nicht der Höhenfußpunkt.
Nicht der Höhensatz
Wir zeichnen unter demselben Thaleskreis ein zweites Dreieck ein, das zur Höhensatzfigur passt.
Zweites Dreieck
Höhensatz
Das gelbe rechtwinklige Dreieck, das blaue Rechteck und das rote Quadrat haben nun denselben Flächeninhalt. Da sich das gelbe Dreieck und das rote Quadrat teilweise überlappen, bauen wir die Figur durch Spiegeln um.
Umbau der Figur
Andere Position des roten Quadrates
Wir lassen nun das blaue Rechteck weg. Das gelbe Dreieck hat denselben Flächeninhalt wie das rote Quadrat.
Flächengleichheit
Flächengleichheit
Was sehen wir? Man glaubt, einen sich im Raum bewegenden Kreis zu sehen.
Sonnwendlig, Tournesol, Girasole
Tatsächlich ist es eine Verscherung eines Kreises.
Scherung
Was ist nun die Bahnkurve der rechten unteren Ecke des roten Quadrates?
Bahnkurve?
Die Bahnkurve ist eine Ellipse. Sie hat die implizite Gleichung:
x2 + 2xy + 2y2 = 1
Sie entsteht durch Verscherung des Einheitskreises mit einem Verscherungswinkel von 45°.
Verscherung
Mit Φ = (1 + √5)/2 ≈ 1.618 bezeichnen wir den Goldenen Schnitt. Der Goldene Schnitt kommt im verscherten Einheitskreis an verschiedenen Orten vor.
Die lange Halbachse der Ellipse hat die Länge Φ und die Steigung –1/Φ.
Die kurze Halbachse der Ellipse hat die Länge 1/Φ und die Steigung Φ.
Ellipsenachsen
Die Schnittpunkte der Ellipse mit dem Einheitskreis definieren ein Rechteck. Es hat das Seitenverhältnis Φ:1, ist also das sogenannte Goldene Rechteck.
Goldenes Rechteck
Weblinks
Hans Walser: Miniaturen: Goldener Schnitt
https://walser-h-m.ch/hans/Miniaturen_Uebersicht/Goldener_Schnitt/index.html
Literatur
Walser, Hans (2024):
Der Goldene Schnitt. Geometrische und zahlentheoretische Betrachtungen. 7.
Auflage. Springer Spektrum.
Print-ISBN 978-3-662-68556-3. E-Book_ISBN
978-3-662-68557-0.
https://doi.org/10.1007/978-3-662-68557-0