Hans Walser
Das DIN-Format
Lehrerinnen- und Lehrertag
Basel, Mittwoch, 11. Februar 2015
Zusammenfassung
Das DIN-Format ist mehr als ein StŸck Papier und die Quadratwurzel aus Zwei. Wir treffen auf Spiralen, Grenzpunkte, die gleichtemperierte 12-Ton-Stimmung, das Silberne Rechteck, Faltprobleme und Legespiele nach Fršbel. Explizit werden Faltaufgaben besprochen, die nur mit einem Papierblatt in einem DIN-Format mšglich sind. Insbesondere kommen das regelmЧige Achteck sowie Kantenmodelle von WŸrfel und Tetraeder zur Sprache.
Wenn wir ein DIN A4 Papier lŠngs der kurzen Mittellinie falten, ergibt sich ein doppellagiges DIN A5 Papier. Dieses hat nun dieselbe Form (€hnlichkeit), also dieselben SeitenverhŠltnisse wie das DIN A4 Papier, wie durch Anlegen an eine gemeinsame Diagonale nachgeprŸft werden kann.
DIN A4 und DIN A5
Mit der Schmalseite 1 und der Langseite x fŸr das DIN A4 Rechteck erhalten wir aus der €hnlichkeit:
Dieses SeitenverhŠltnis
kann durch Falten nachgeprŸft werden (Abb. 2). Dabei benŸtzen wir den
Sachverhalt, dass im Quadrat die Diagonalen-LŠnge das der SeitenlŠnge
ausmacht.
Kontrolle durch Falten
Beim
Abschneiden eines Quadrates vom DIN-Rechteck (etwa beim
Zuschneiden von Origami-Papier) bleibt ein Rechteck mit dem
SeitenverhŠltnis Ÿbrig.
Dies ist das so genannte Silberne
Rechteck. Es hat Šhnliche Eigenschaften wie das Goldene Rechteck (vgl.
Walser 2013).
Wir kšnnen mit einem Set von DIN-Rechtecken A1, A2, A3, ... ein A0-Rechteck ausschšpfen. Die Rechtecke sind im Wechsel im Quer- und Hochformat.
Ausschšpfung des A0-Rechteckes
Wenn wir die Mitten aufeinanderfolgender Rechtecke verbinden, ergibt sich eine Zickzack-Linie, welche in den Grenzpunkt rechts oben mŸndet.
Wir kšnnen das Set von Rechtecken A1, A2, A3, ... aber auch spiralfšrmig anordnen.
Spiralfšrmige Anordnung
Der Grenzpunkt ergibt sich durch Einzeichnen geeigneter Halbdiagonalen.
Der Grenzpunkt hat ãDrittelkoordinatenÒ.
Drittel bei den Koordinaten
Das kann
wie folgt eingesehen werden: Wenn auf der Hšhe des Grenzpunktes von links her
einfahren, treffen wir nur Hochformat-Rechtecke, und zwar der Reihe nach A4,
A8, A12, A16, ... . Diese haben im angegebenen Koordinatensystem die Breiten ,
,
,
, ... . FŸr die x-Koordinate
des Grenzpunktes ergibt sich daher die geometrische Reihe:
Ein violettes Rechteck hat das SeitenverhŠltnis des DIN-Formates. Es bedeckt einen Neuntel des A0-Rechteks. Welchen DIN-Code hat es?
Dazu vergleichen wir mit den FlŠchenanteilen im DIN-System.
Wir sehen, dass unser violettes Rechteck zwischen A3 und A4 liegt, gefŸhlsmЧig nŠher an A3. Rechnerisch erhalten wir:
Wilhelm Ostwald (1853-1932). Walter Porstmann (1886-1959)
Der
NobelpreistrŠger Wilhelm Ostwald (1853-1932, Nobelpreis fŸr Chemie 1909, entwickelte
1911 ein System von Papierformaten, das er als Weltformat bezeichnete (Ostwald 1911). Geometrische Grundlage ist
das Rechteck mit dem SeitenverhŠltnis , also wie beim heutigen DIN-Rechteck. Das System
wurde lŠngenmЧig auf das metrische
System bezogen, indem das kleinste Rechteck (Weltformat I) die kurze Seite 1cm
aufwies.
Der Ingenieur, Mathematiker und
Normungstheoretiker Walter Porstmann (1886-1959, war
zeitweise Assistent von Wilhelm Ostwald. Er engagierte sich fŸr ein System, das
nicht lŠngenmЧig, sondern flŠchenmЧig
mit dem metrischen System verbunden ist, also . So entstand das heute noch verwendete
DIN-System.
Gibt es andere Figuren, die in zwei kongruente, zur Ausgangsfigur Šhnliche Teilfiguren zerlegbar sind?
Die Frage ist allgemein gehalten, es ist nicht von Halbieren die Rede, sondern nur von Zerlegen.
Wir kšnnen die DIN-Rechtecke zu Parallelogrammen verscheren.
Parallelogramme
Die Teilparallelogramme sind ungleichsinnig Šhnlich zum Startparallelogramm.
Das naheliegende Beispiel ist das rechtwinklig-gleichschenklige Dreieck.
Das rechtwinklig-gleichschenklige Dreieck
Es gibt im rechtwinklig-gleichschenkligen Dreieck ebenfalls eine spiralfšrmige Anordnung. Der Grenzpunkt fŸhrt zu FŸnfteln.
Spiralfšrmige Anordnung
Die Figur kann auch aus einem halben Origami Papier durch fortlaufendes Falten erreicht werden.
Faltprozess
Faltmodell
Die Thaleskreise der Teildreiecke verlaufen durch den Grenzpunkt, ebenso eine Auswahl von Seitenhalbierenden.
Thaleskreise. Seitenhalbierende
Wird ein
Quader mit dem KantenverhŠltnis halbiert,
ergeben sich zwei Quader mit dem KantenverhŠltnis
. Diese sind Šhnlich zum ursprŸnglichen Quader. Die folgende
Abbildung zeigt einen DIN-Quader mit dem KantenverhŠltnis
im
Vergleich zum EinheitswŸrfel.
Die folgende Abbildung zeigt eine Anordnung eines DIN-Quader-Sets analog zur klassischen Anordnung eines Sets von DIN-Rechtecken.
Anordnung
WŠhrend bei Rechtecken nur zwischen Querformat und Hochformat unterschieden werden kann, brauchen wir hier drei Anaordnungsformate. Dazu dient das beigefŸgte Koordinatensystem. Der erste Quader hat seine lŠngsten Kanten in der x-Richtung, der zweite Quader hat seine lŠngsten Kante in der y-Richtung und der dritte Quader in der z-Richtung. Der vierte Quader hat seine lŠngsten Kanten wiederum in der x-Richtung.
Als Stimmungsbild reale DIN-Quader.
DIN-Kisten
Im vierdimensionalen Raum ergeben sich durch
oder in anderer Schreibweise
die Kanten zweier aufeinanderfolgender 4d-DIN-Hyperquader. George P—lya (1887-1985) hŠtte in dieser Situation allerdings von einer Verallgemeinerung durch VerwŠsserung gesprochen.
Wir verwŠssern weiter zum 12d-DIN-Hyperquader.
Das haben wir zwar noch nie gesehen, aber schon gehšrt. Es sind die FrequenzverhŠltnisse der Gleichtemperierte 12-Ton-Stimmung.
Wir kšnnen zu einem DIN-Rechteck an der Schmalseite ein Quadrat ansetzen oder von einem DIN-Rechteck ein Quadrat abschneiden.
Quadrat ansetzen oder Quadrat abschneiden
Die folgende Abbildung zeigt das Summen- und das Differenzrechteck.
Summenrechteck und Differenzrechteck
Wir
erhalten ein Summenrechteck mit dem SeitenverhŠltnis beziehungsweise ein Differenzrechteck mit
dem SeitenverhŠltnis
.
Wegen haben
diese beiden Rechtecke dasselbe SeitenverhŠltnis. Ein solches Rechteck wird mit
dem leicht esoterischen Namen Silbernes
Rechteck bezeichnet, da es einige Eigenschaften Šhnlich denen des Goldenen
Rechtecks mit dem SeitenverhŠltnis des Goldenen Schnittes hat. †ber den
Goldenen Schnitt siehe (Walser 2013).
Wir kšnnen zum Beispiel vom Silbernen Rechteck zwei Quadrate abschneiden, und dann bleibt ein Silbernes Restrechteck Ÿbrig.
Zwei Quadrate abschneiden
Der Prozess kann iteriert werden, theoretisch ad infinitum.
Iteration des Abschneidens
Wir kšnnen die Quadrate mit Viertelkreisen fŸllen. So entstehen zwei Spiralen.
Spiralen
Wir kšnnen vier rechtwinklige-gleichschenklige Dreiecke so auslegen, dass ein Silbernes Umrissrechteck und ein Silbernes Lochrechteck entstehen.
Silberne Rechtecke als Umriss und als Loch
Auch dies kann iteriert werden.
Iteration
Die folgende Abbildung zeigt einen Beweis ohne Worte fŸr den Diagonalenschnittwinkel 45¡ im Silbernen Rechteck. Den Beweis verdanke ich Renato Pandi.
Diagonalenschnittwinkel im Silbernen Rechteck
Der 45¡-Winkel ist auch der Zentriwinkel im regelmЧigen Achteck.
Das Silberne Rechteck erscheint im regelmЧigen Achteck.
Silbernes Rechteck im regelmЧigen Achteck
FlŠchenmЧig macht das Silberne Rechteck genau die HŠlfte des Achtecks aus. Dies kann mit einem Zerlegungsbeweis eingesehen werden.
Zerlegungsbeweis
Der Zerlegungsbeweis kann noch subtiler gemacht werden, so dass ein Stern erscheint.
Zerlegungsbeweis mit Stern
Das erinnert an die Legespiele nach Fršbel.
Legespiel nach Fršbel
Mit denselben Bauteilen kšnnen auch zwei flŠchenmЧig halb so gro§e Achtecke ausgelegt werden.
Zwei Achtecke
Wenn wir beim Stern zusŠtzlich zwei rechtwinklig gleichschenklige Dreiecke ansetzen passt die Figur in ein DIN-Rechteck.
Einpassen ins DIN-Rechteck
Auf Grund dieser Figur kann aus einem DIN-Rechteck ein regelmЧiges Achteck durch Falten hergestellt werden.
Falten eines Achteckes
Als Baumaterial dient Papier im DIN A6-Format. Geeignet ist Papier der StŠrke 80 g/m2, das vom Format A4 auf A6 zugeschnitten wird. Ebenfalls geht es mit dŸnnen Karteikarten.
FŸr jede Kante braucht es ein Papier.
FŸr den
Faltprozess verwenden wir eine etwas festere A6-Karte als Faltlehre. Wir legen
diese Faltlehre diagonal auf ein A6-Papier und falten die vorstehenden Ecken
des darunterliegenden Papiers nach vorne Ÿber die Faltlehre. Dann entfernen wir
die Faltlehre. Der Umriss des Papiers ist nun ein Rhombus mit dem spitzen Winkel .
Faltvorgang
Nun falten wir die untere Spitze des Rhombus nach hinten unter die obere Spitze. Diese letzte Faltlinie wird zu einer Kante des WŸrfels. Was an dieser Kante noch vorsteht, kann zurŸckgebogen oder abgeschnitten werden. Damit haben wir unser Bauteil. Es hat die Form eines doppellagigen gleichschenkligen Dreiecks mit zwei Verbindungslaschen zum Einschieben in die Nachbarteile.
Die folgende Abbildung zeigt ein gešffnetes Bauteil von innen. Die Spitzen der beiden Rhomben-HŠlften mŸssen vor dem Zusammenbau des Modells noch aufeinander gelegt werden. Diese Spitzen kommen alle in den Mittelpunkt des WŸrfels zu liegen. Die Seiten der Rhomben werden zu halben Raumdiagonalen des WŸrfels.
Wir benštigen 12 Bauteile. Beginnend mit drei verschieden farbigen A4-Papieren, die wir zu A6-Papieren vierteln, erhalten wir drei SŠtze von je vier gleichfarbigen Bauteilen. Damit kšnnen wir den jeweils vier parallelen WŸrfelkanten dieselbe Farbe zuordnen.
Bauteil
Und nun kommt das Interessante, der Zusammenbau. Wir schieben jeweils eine Verbindungslasche zwischen die beiden gleichschenkligen Dreiecke des Nachbarbauteils. Dabei achten wir darauf, dass an jeder halben Raumdiagonale des WŸrfels drei Bauteile in den drei verschiedenen Farben zusammen kommen. Parallele WŸrfelkanten haben dieselbe Farbe.
Kantenmodell des WŸrfels
Es empfiehlt sich, den Zusammenbau schrittweise mit BŸroklammern zu fixieren. An jeder Ecke des WŸrfels ergeben sich schlie§lich drei BŸroklammern.
Wenn alles sitzt, kšnnen die BŸroklammern schrittweise entfernt und durch eine Heftklammer mit dem Tacker ersetzt werden. Dabei hat man den Ehrgeiz, dass die Klammern symmetrisch eingebracht werden.
Beim
regelmЧigen Tetraeder haben wir den ErgŠnzungswinkel von auf 180¡, also 109.4712¡, als Winkel zwischen den vom Zentrum aus zu
den Ecken verlaufenden Strecken. Daher kann analog zum Kantenmodell des WŸrfels
ein Kantenmodell des Tetraeders gebaut werden.
Kantenmodell des Tetraeders
Literatur
Walser, Hans (6. Auflage). (2013). Der Goldene Schnitt. Mit einem Beitrag von Hans Wu§ing Ÿber populŠrwissenschaftliche Mathematikliteratur aus Leipzig. Leipzig: Edition am Gutenbergplatz. ISBN 978-3-937219-85-1.
Walser, Hans (2013): DIN A4 in Raum und Zeit. Silbernes Rechteck – Goldenes Trapez – DIN-Quader. Edition am Gutenbergplatz, Leipzig 2013. ISBN 978-3-937219-69-1.