Der rechte Winkel
Hans Walser
10. Juni 2015
Gymnasium, Goethestra§e 5, Rostock
11. Juni 2015, 10:00-11:00
Hochschule Wismar, HauptgebŠude, gro§er Hšrsaal
Neben Gerade und Kreis ist der rechte Winkel der wichtigste geometrische Grundbegriff in Alltag und Schule.
Im Vortrag kommen verschiedene Aspekte des rechten Winkels integrativ zur Sprache: Kindliche Grundvorstellungen Ÿber den rechten Winkel. GerŠte und Techniken zur Konstruktion eines rechten Winkels. Der rechte Winkel in der Zellbauweise (ãau§enÒ) einerseits und der GerŸstbauweise (ãinnenÒ) andererseits. Anwendung der OrthogonalitŠt in Optimierungsproblemen. Verallgemeinerung der OrthogonalitŠt und zugehšriger Eigenschaften, etwa des Satzes von Pythagoras, in den Raum und hšhere Dimensionen. Sprachliche und ethische Aspekte des ãRichtigseinsÒ.
In der Abbildung 1 ist eine Kinderzeichnung einer ãrichtigenÒ Zeichnung gegenŸbergestellt.
Abb. 1: Kinderzeichnung und ãrichtigeÒ Zeichnung
In der Kinderzeichnung ist der Kamin rechtwinklig zur DachflŠche und nicht senkrecht im Sinne der Schwerkraft.
Der rechte Winkel siedet bei 90¡.
Die Ma§angabe 90¡ fŸr den rechten Winkel ist zwar richtig, aber die Definition des Gradma§es setzt den rechten Winkel (und Vielfache davon) voraus.
Ein Winkel von einem Grad kann nicht mit Zirkel und Lineal konstruiert werden. Andernfalls kšnnte auch ein Winkel von 40¡ und damit ein regelmŠ§iges Neuneck konstruiert werden. Dies widerspricht einem Satz von Gau§.
Rechter Winkel gleich linker Winkel.
Euklid: Der rechte Winkel ist gleich gro§ wie sein Nebenwinkel (Abb. 2). Hier kommt die Idee der GleichmŠ§igkeit, der Symmetrie also, zum tragen.
Abb. 2: Rechter Winkel
Es werden einige Beispiele mit zum Teil nur didaktischer Bedeutung vorgestellt.
In der Schule wird der rechte Winkel in der Regel nicht mit Zirkel und Lineal, sondern mit dem Geo-Dreieck als Makro gezeichnet.
Handwerker verwenden verschiedene Anschlagwinkel (Abb. 3).
Abb. 3: Anschlagwinkel. Spenglerwinkel
Die Abbildung 4a zeigt ein mechanisches GerŠt. Beim Punkt P ist ein Drehpunkt. Wenn der Gleiter G auf der Geraden g sich hin und her bewegt, bewegt sich der Schreibpunkt S auf einer zu g orthogonalen Geraden auf und ab. Die Abbildung 4b gibt die Einsicht mit der ErgŠnzung zum Rechteck.
Abb. 4: ãOrthogonalzirkelÒ
Frage: Was erhalten wir, wenn wir den Schreibpunkt S an einer anderen Stelle des GerŠtes festmachen?
Bei Lehrern beliebt ist die Zwšlfknotenschnur (Abb. 5). Sie soll im alten €gypten eingesetzt worden sein. Dies ist aber historisch nicht abgesichert. Die Zwšlfknotenschnur ist wohl eine Erfindung der Schulmeister im 19. Jahrhundert, um eine ãAnwendungÒ des pythagoreischen Dreiecks zu haben.
Abb. 5: Zwšlfknotenschnur
Die Anwendung ist unpraktisch, weil man jedes Mal die Knoten abzŠhlen muss. Zudem ist die Anwendung recht ungenau. Wer das nicht glaubt, soll selber eine Zwšlfknotenschnur knŸpfen.
Einfacher ist eine Dreiknotenschnur. Auch eine solche ist natŸrlich ungenau, die Abbildung 6 zeigt ein recht ungenaues Beispiel. Durch spiegelbildliche Anwendung kann der Fehler aber ausgemittelt werden. Hier kommt wie bei der Definition Euklids die Symmetrie zum Tragen.
Abb. 6: Dreiknotenschnur. Ausmitteln des Fehlers
Die Abbildung 7 zeigt, wie aus einem unregelmŠ§igen Papier durch zweimaliges Falten eine Ecke mit einem rechten Winkel entsteht. Wichtig ist beim zweiten Schritt das Falten ãKante auf KanteÒ.
Abb. 7: Papierfalten
Frage: Was ergibt sich, wenn wir das zweimal gefaltete und damit vierlagige Papier mit einer Lochzange lochen und dann auffalten?
Welche Vierecke im Haus der Vierecke (Abb. 8) haben mit rechten Winkeln zu tun?
ZunŠchst natŸrlich das Quadrat und das Rechteck. Diese haben einen rechteckigen Rahmen, sind also Zellen mit rechten Winkeln.
Frage: Ist diese rote Liste (Abb. 8a) vollstŠndig?
Abb. 8: Haus der Vierecke
Rechte Winkel finden wir aber auch als Diagonalenschnittwinkel bei Quadrat, Rhombus (Raute) und Drachenviereck. Wir haben ein rechtwinkliges GerŸst oder Skelett.
In der blauen Liste (Abb. 8b) hat zunŠchst das Quadrat vier Symmetrieachsen, der Rhombus noch zwei, nŠmlich die beiden Diagonalen, und das Drachenviereck noch eine. Damit ist die blaue Liste unvollstŠndig. Es fehlen die Vierecke mit orthogonalen Diagonalen (Abb. 9a), welche keine Symmetrien aufweisen. Diese haben einige neckische Eigenschaften.
Genau bei Vierecken mit orthogonalen Diagonalen sind die AbstŠnde gegenŸberliegender Kantenmitten (in der Abbildung 9b die grŸne und die rote Strecke) gleich lang. FŸr den Beweis ist das aus den Kantenmitten gebildete Viereck hilfreich.
Abb. 9: Orthogonale Diagonalen. AbstŠnde der Kantenmitten
Genau bei Vierecken mit orthogonalen Diagonalen kann in vier Schritten ein (asymmetrischer) Briefumschlag gefaltet werden (Abb. 10).
Abb. 10: Briefumschlag
Wir setzen den Seiten des Viereckes Quadrate auf, wie man das von der Pythagoras-Figur her kennt (Abb. 11a). Dann ist die Summe der FlŠchen der grŸnen Quadrate gleich der Summe der FlŠchen der roten Quadrate. Dies kann mit Pythagoras leicht nachgerechnet werden.
Abb. 11: Angesetzte Quadrate
Die Verbindungsstrecken gegenŸberliegender Quadratmitten sind gleich lang und schneiden sich im Diagonalenschnittpunkt (Abb. 11b). Die so entstehenden Winkel sind alle gleich gro§ (45¡).
Wir kšnnen auch gleichseitige Dreiecke ansetzen (Abb. 12). GegenŸberliegende DreiecksflŠchen sind zusammen je gleich gro§.
Abb. 12: Angesetzte Dreiecke
Die Verbindungsstrecken gegenŸberliegender Dreiecksspitzen sind gleich lang. Sie schneiden sich allerdings nicht im Diagonalenschnittpunkt und sind untereinander nicht orthogonal.
Statt gleichseitiger Dreiecke kann man auch zueinander Šhnliche gleichschenklige Dreiecke mit den Basen an die Viereckseiten ansetzen.
Die
Abbildung 13 zeigt zwei Wegenetze, welche die Eckpunkte eines Quadrates verbinden.
Im Einheitsquadrat hat das rote Wegenetz mit den gleichmŠ§igen Bifurkationswinkeln
120¡ die GesamtlŠnge und ist damit kŸrzer als das aus den Diagonalen
bestehende Wegenetz mit der GesamtlŠnge
.
Allerdings gibt es zwei Topologien fŸr das rote Wegenetz (Abb. 14). Die beiden
roten Wegenetze haben natŸrlich die gleiche GesamtlŠnge.
Abb. 13: Wegenetze
Abb. 14: Zwei Topologien
Nun
verŠndern wir das Quadrat zu einem Rechteck (Abb. 15). Die Breite sei 1.125 und
die Hšhe 1. Das rote Wegenetz hat die GesamtlŠnge ,
das magenta Wegenetz die grš§ere GesamtlŠnge
.
Das rote Wegenetz ist das globale Minimum, das magenta Wegenetz ist minimal im
Vergleich zu allen andern Wegenetzen mit derselben Topologie. Es ist also ein
lokales Minimum.
Abb. 15: Rechtecke. Globales und lokales Minimum
Die Abbildung 16 zeigt die analoge Situation fŸr ein beliebiges Viereck. Relativ zur eingetragenen blauen Einheitsstrecke hat das rote Wegenetz die GesamtlŠnge 25.91 und das magenta Wegenetz die GesamtlŠnge 26. 59.
Abb. 16: Beliebiges Viereck
Die Frage ist nun, ob es au§er dem Quadrat weitere Vierecke gibt, in denen die beiden Topologien zu Wegenetzen gleicher GesamtlŠnge fŸhren. Dies ist genau fŸr die Vierecke mit orthogonalen Diagonalen der Fall (Abb. 17). FŸr den Beweis siehe (Haag 2003).
Abb. 17: Gleich lange Wegenetze
Bei der Frage nach dem (Singular!) Analogon zum Quadrat im Raum denkt man zunŠchst an den WŸrfel (Abb. 18).
Abb. 18: Das Quadrat wird zum WŸrfel
Das ist dann angebracht, wenn wir das Quadrat als Zelle mit vier rechten Winkeln interpretieren.
Sehen wir aber das Quadrat durch ein GerŸst von zwei orthogonalen gleich langen und sich halbierenden Diagonalen aufgespannt, ist das rŠumliche Analogon das regelmŠ§ige Oktaeder (Abb. 19).
Abb. 19: Das Quadrat wird zum Oktaeder
Es gibt also verschiedene Analoga zum Quadrat im Raum.
Wir
kšnnen das Quadrat auch als Vektorzug von vier sukzessive orthogonalen Einheitsvektoren
sehen (Abb. 20a). Wir beginnen mit einem Startvektor und bilden die weiteren Vektoren
rekursiv:
Der
Vektorzug schlie§t sich mit der PeriodenlŠnge 4. Es ist .
Diese Sicht des Quadrates ist die weitaus wichtigste Anwendung des Quadrates, da sie schematisch fŸr alle Kreisprozesse der PeriodenlŠnge 4 gebraucht werden kann. Der Klassiker sind die vier Jahreszeiten (Abb. 20b).
Abb. 20: Vektorzug. Jahreszeiten
Die Abbildung 21 zeigt das Funktionsschema eines Viertaktmotors.
Abb. 21: Viertaktmotor
In der Abbildung 22 sehen wir das Schema der Modellierung in der Zusammenarbeit von Ingenieuren und Mathematikern. Als junger Lehrer war ich der Meinung, die Kenntnis dieses Schemas erleichtere den SchŸlerInnen das Lšsen von ãSŠtzlirechnungenÒ.
Abb. 22: Modellierung
Wir
verallgemeinern nun die Idee des Vektorzuges wie folgt. Wir beginnen mit zwei
orthogonalen Startvektoren und
der LŠnge 1. Die weiteren Vektoren bilden
wir rekursiv mit Hilfe des Vektorprodukts (cross product):
Die
Abbildung 23 illustriert den Sachverhalt. Die schwarzen WŸrfelchen sind als rŠumliche
Orientierungshilfe eingezeichnet. Zwar ist und allgemein
.
Wir haben also ein periodisches Verhalten mit der PeriodenlŠnge 3. Aber der
Vektorzug schlie§t sich nicht. Es entsteht eine eckige Spirale. Die Spirale
lŠuft auf einem Dreikant mit den blauen Linien als Kanten. Der Querschnitt des
Dreikants ist ein regelmŠ§iges Dreieck.
Abb. 23: Eckige Spirale
Der Dreikant mit Spirale kann als Modell aus einer DIN A4 Folie (Abb. 24) gebaut werden. Wir zeichnen eine Diagonale auf die Folie und falten parallel zur kurzen Seite auf Achtel, alle Faltlinien in derselben Richtung, zum Beispiel alles ãTalfaltÒ. Dann wird aufgefaltet, zu einem Dreikant aufgewickelt und mit BŸroklammern fixiert.
Abb. 24: Modell
Die Abbildung 25 zeigt eine handfeste Form der eckigen Spirale (vgl. [Eckige Spirale]). Die blaue Linie ist die Spiralachse.
Abb. 25: Eckige Spirale
Die Analogie zwischen dem Drehen der Vektoren um 90¡ in der Ebene und dem Vektorprodukt im Raum begreift sich aus Folgendem.
In der Ebene konstruieren wir zu einem Vektor
die formale Matrix A:
Die
EintrŠge in der ersten Spalte von A
sind die Komponenten des Vektors , die EintrŠge in der zweiten Spalte sind keine
Zahlen, sondern die beiden Einheitsvektoren eines ebenen kartesischen
Koordinatensystems. Nun berechnen wir formal die Determinante dieser Matrix A:
Diese
Determinante ist ein Vektor, und zwar der um +90¡ gedrehte Vektor .
Im Raum konstruieren wir analog zu zwei Vektoren
die formale Matrix A:
FŸr die formale Determinante erhalten wir mit der Entwicklung nach Laplace nach der dritten Spalte:
Diese
Determinante ist ein Vektor, und zwar das Vektorprodukt der beiden Vektoren und
.
Diese
Analogie lŠsst sich in beliebige Dimensionen n verallgemeinern. Zu Vektoren
berechnen wir formal die Determinante:
Die
Schreibweise , gesprochen ãcross(...)Ò, ist an die Schreibweise des
Vektorproduktes angelehnt.
Die Determinante ist ein Vektor mit folgenden Eigenschaften:
á
Er ist orthogonal zu jedem der Inputvektoren
.
á
Seine LŠnge hat (bis auf das
Vorzeichen) dieselbe Ma§zahl wie das -dimensionale Volumen des durch
aufgespannten
Spates.
á
Die Zuordnung ist
antikommutativ. Vertauschen zweier Inputvektoren stellt die Richtung um.
Die Beweise sind eine schšne †bung in linearer Algebra, insbesondere der Determinanten-Berechnung (vgl. [Vektorprodukt]).
In der Ebene erhielten wir einen geschlossenen Vektorzug der LŠnge 4, eben ein Quadrat. Im Raum ergab sich zwar eine PeriodizitŠt mit der PeriodenlŠnge 3, aber der Vektorzug schlie§t sich nicht, sondern bildet eine unendlich lange eckige Spirale.
Dies lŠsst sich verallgemeinern:
FŸr gerade Dimensionen n erhalten wir nach 2n Schritten einen geschlossenen Vektorzug. Wir haben eine PeriodizitŠt der PeriodenlŠnge 2n.
FŸr ungerade Dimensionen n ergibt sich eine unendliche lange eckige Spirale der Ganghšhe n. Wir haben fŸr die Vektoren eine PeriodizitŠt der PeriodenlŠnge n.
Nachweis durch Rechnen und Induktion.
Der Grund fŸr diese ParitŠtsunterschiede liegt im alternierenden Vorzeichen bei der Laplace-Entwicklung der Determinante.
Der musste ja kommen.
In der Schule lernen wir in der Standardbezeichnung:
Sehr oft wird allerdings der Satz nur in einer Richtung bewiesen, nŠmlich von links nach rechts. Die meisten Anwendungen beruhen ja auch auf dem Satz in dieser Richtung.
Mein
SchŸler hat mich wochenlang mit der Frage gelšchert, warum man bei der Berechnung
der HypotenusenlŠnge c (mit der
Formel ) den Umweg Ÿber die QuadratflŠchen brauche.
Seine Frage bezog sich nicht darauf, ob und warum es mit dieser Formel funktioniert, sondern darauf, warum es nicht einfacher nur mit LŠngen geht, also problemkonform.
In der Schule wird dann fŸr die Raumdiagonale d eines Quaders mit den KantenlŠngen a, b und c die Formel
als ãrŠumlicher PythagorasÒ angeboten. Bei Lichte besehen ist es allerdings nur eine zweimalige Anwendung des ebenen Pythagoras. Und gilt nur in der einen Richtung wie das Beispiel der Abbildung 26a illustriert. Es handelt sich um den pythagoreischen Quader mit den KantenlŠngen 2, 1, 2 und der DiagonalenlŠnge 3. Diese LŠngen garantieren aber nicht, dass es sich um eine Quader mit rechten Winkeln handelt. Wir kšnnen zu diesen Daten sogar eine ebene Figur bauen (Abb. 26b).
Abb. 26: Quader und flache Figur
Wir nehmen eine Raum-Ecke eines WŸrfels als Analogon des ebenen rechten Winkels (Abb. 27).
Abb. 27: Raum-Ecke
Es handelt sich um ein unregelmŠ§iges Tetraeder mit drei rechten Winkeln an einer Ecke.
Nun
bezeichnen wir als KathetenflŠchen die drei
an die rechte Raum-Ecke ansto§enden DreiecksflŠchen des Tetraeders (Abb. 28)
und als HypotenusenflŠche H die
vierte DreiecksflŠche.
Abb. 28: KathetenflŠchen und HypotenusenflŠche
Damit gilt das Analogon zum ebenen Satz des Pythagoras:
Allerdings gilt auch hier die Umkehrung nicht.
Da FlŠchen quadriert werden, operiert dieser Satz im vierdimensionalen Raum.
Beweis mit Rechnen (vgl. [Pythagoras]).
Als Beispiel ein Sonderfall, das Analogon zum rechtwinklig gleichschenkligen Dreieck (Abb. 29).
Abb. 29: Sonderfall
Es ist:
Funktioniert auch in hšheren Dimensionen. Die Abbildung 30 illustriert den vierdimensionalen Fall. Wir haben es jetzt mit Kathetenvolumina und einem Hypotenusenvolumen zu tun.
Abb. 30: Vierdimensionaler Fall
Die Formel
ist eine sechsdimensionale Aussage.
Die letzte Mark ist die teuerste.
Senkrecht Ÿber die Stra§e ist der kŸrzeste Weg.
Der minimale Abstand ist orthogonal. Die Abbildung 31 illustriert das in der Theorie. Wir schlaufen eine doppelte Schlinge durch das Loch und ziehen nach unten. Dann stellt sich der minimale Abstand ein.
Abb. 31: Der minimale Abstand ist orthogonal
In der Praxis funktioniert das nicht ganz (Abb. 32). Am Schluss ist offenbar die Reibung stŠrker als die Kraft entlang der Rechteckkante.
Abb. 32: Praxis
Die stille Schšnheit der Plattenbauten
Der rechte Winkel erlaubt ein optimales Bewirtschaften von vielen Materialien. Die Plattenbauten der Abbildung 33 stammen aus DDR-Zeiten (Berlin Marzahn).
Abb. 33: Plattenbauten
Bauten unter Betonung der OrthogonalitŠt und insbesondere der Vertikalen und Horizontalen entstanden oft in Notzeiten. So entstand in England nach der Pestepidemie 1349/50 der Perpendicular Style.
Weben und Flechten gehšren wohl zu den Šltesten Kulturtechniken. In diesen Techniken haben wir zwei orthogonale Scharen von FŠden (Schuss und Kette) beziehungsweise Ruten (Abb. 34).
Abb. 34: Geflecht
Aber erst musst du mir selber gebaut sein, rechtwinklig
an Leib und Seele.
Nietzsche,
Zarathustra
Die Rechtwinkligkeit wird in der Sprache oft mit einem ethischen Konnex versehen. Als Beispiel etwa der ãschrŠge VogelÒ.
Auch die bauliche Korrektheit wird mit dem rechten Winkel in Beziehung gebracht: Etwas ist im Winkel oder aber nicht im Winkel. Oder: Die Sache ist im Lot, eine Formulierung, die meist im Ÿbertragenen Sinn gebraucht wird.
Senkrecht und waagerecht, sowohl im Sinne der Schwerkraft wie auch im Sinne des Schreibpapiers, werden oft als Orientierungsmuster verwendet. Dies kann sogar zu unterschiedlichen Begriffen fŸhren (Abb. 35). Das auf Spitz stehende Quadrat wird nicht mehr als Quadrat angesprochen, sondern als Raute. Falsch ist es nicht.
Abb. 35: Quadrat und ãRauteÒ
Frage: Wie viele Quadrate gibt es im Schachbrett? (vgl. Mason, Burton, & Stacey, 1982/2010) (vgl. [Schachbrett] ). Diese Frage wurde in einer Untersuchung von FŸnftklŠsslern verwendet (Lange, 2014 und Rott, 2014).
Interessanterweise wurden von den SchŸlerInnen nur Quadrate gefunden, die sich eng an den Raster des Schachbrettes anschlossen: Eckpunkte mŸssen Rasterpunkte sein, Seiten parallel zum Raster (Abb. 35a). Die Anzahl solcher Quadrate ist:
Abb. 36: BodenstŠndiges und spitzstŠndiges Quadrat
SpitzstŠndige Quadrate (Abb. 36b) wurden nicht gefunden. Die Anzahl solcher Quadrate ist:
Nimmt man Bezug auf die Regeln fŸr die Schachfiguren, kšnnen auch Quadrate durch die Schachfiguren generiert werden. Die Abbildung 37a zeigt ein von einem wei§en LŠufer gezeichnetes Quadrat. Die Eckpunkte solcher Quadrate sind Feldermitten. FŸr die Anzahl solcher Quadrate gilt:
Abb. 37: LŠufer und Springer
Ein Springer kann in vier ZŸgen ein Quadrat der Abbildung 37b absolvieren. FŸr die Anzahl solcher Quadrate erhalten wir:
Ein Springer kann auch einen WŸrfel generieren (Abb. 38a, 48 Mšglichkeiten) und sogar einen vierdimensionalen WŸrfel (Abb. 38b, 4 Mšglichkeiten).
Abb. 38: WŸrfel und 4d-HyperwŸrfel
Den HyperwŸrfel kann der Springer in einem Durchgang absolvieren, beim WŸrfel muss er einige Kanten zweimal durchlaufen.
Alle bis jetzt gefundenen Quadrate sind in irgend einer Art am Schachbrett und den Spielregeln orientiert. Es ist sehr schwer, davon loszukommen.
Wenn wir ein Origami-Papier auf das Schachbrett legen (Abb. 39), erkennen wir sofort, dass es unendlich viele Quadrate im Schachbrett gibt.
Abb. 39: Quadrat im Schachbrett
Literatur
Euklid (1980): Die Elemente. Nach Heibergs Text aus dem Griechischen Ÿbersetzt und herausgegeben von Clemens Thaer. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. ISBN 3-534-01488-X.
Haag, Wilfried (2003): Wege zu geometrischen SŠtzen. Stuttgart: Klett. ISBN 3-12-720120-6.
Lange, Diemut (2014): Kooperationsarten in mathematischen Problemlšseprozessen. J Math Didakt 35. 173-204.
Mason, J, Burton, L., & Stacey, K. (1982/2010): Thinking mathematically (2nd Ed. 2010). Dorchester: Pearson.
Rott, Benjamin (2014): Mathematische Problembearbeitungsprozesse von FŸnftklŠsslern – Entwicklung eines deskriptiven Phasenmodells. J Math Didakt 35. 252-282.
SchŠfke, Werner (1985): Englische Kathedralen. Eine Reise zu den Hšhepunkten englischer Architektur von 1066 bis heute. 2. Aufl. Kšln: DuMont. ISBN 3-7701-1313-6.
Websites
[Eckige Spirale], abgerufen 6. 1. 2015
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/E/Eckige_Spirale/Eckige_Spirale.pdf
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/E/Eckige_Spirale/Eckige_Spirale.htm
[Pythagoras], abgerufen 6. 1. 2015
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Verallg_Pythagoras2/Verallg_Pythagoras2.htm
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Verallg_Pythagoras2/Verallg_Pythagoras2.pdf
[Schachbrett], abgerufen 6. 1. 2015
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/Q/Quadrate_im_Schachbrett/Quadrate_im_Schachbrett.htm
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/Q/Quadrate_im_Schachbrett/Quadrate_im_Schachbrett.pdf
[Vektorprodukt], abgerufen 7. 1. 2015
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Verallg_Vektorprodukt/Verallg_Vektorprodukt.htm
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Verallg_Vektorprodukt/Verallg_Vektorprodukt.pdf
Adresse des Autors:
Hans Walser
hwalseratbluewin.ch
www.walser-h-m.ch/hans/